Freitag, 29. März 2013

Kapverden

Cabo Verde

06:00 Uhr ... der Wecker ist unerbittlich. Draußen ist es dunkel, um die Null Grad und es schneit ... Unser Flieger geht zwar erst 12:45 Uhr und das Gepäck ist bereits im Vorabend-CheckIn versenkt ... doch Gundel muss noch zu einem Telekom-Shop ihre falsche SIM-Karte tauschen und ich viiiieeel dringender zum Zoll. Am Samstag vor Abflug kam tatsächlich die Info, dass mein aus Yunnan georderter Tee im Hamburger Hafen liegt und ich ihn innerhalb von zwei Wochen auslösen kann. Was für ein Timing!

Seit meinem letzten Urlaub - der ein wenig Gehirnwäsche-Qualitäten hatte - ziehe ich schon mal einen guten grünen Tee anderen Flüssigkeiten vor. Der Haken an der Sache ist allerdings, dass ich nun offensichtlich selbst zu den "Teetrinkern", also der langweiligen, blasshäutigen und Aggressionen auslösenden, verständnisvoll dreinblickenden Sorte Mensch zähle. Und nicht zu vergessen: ich musste mal wieder ein über Jahre gepflegtes Klischee über Bord werfen!

Egal, beim Zoll war ich eh ein Alien: „Tee?, Sie bestellen losen Tee aus China?“ Irgend wie fanden die Beamten meine Begeisterung über das erste „family member, that arrived safe“ so ansteckend (das waren die Worte von Jeff, dem Tee-Fetischisten, Verkäufer und Freund aus China, dem ich die frohe Botschaft sofort simste), dass sie mir den Karton sehr ambitioniert abfertigten ... Ich brauchte einen Steuerbescheid, eine Unbedenklichkeitsbestätigung irgend welcher Behörden - weil Lebensmittel aus dem Ausland - und was weiß ich noch. All das besorgten sie mir innerhalb der nächsten 30 Minuten mit umgehender telefonischer Belästigung aller notwenigen Ämter, bis diese zustimmten. Großartig! Ein Hoch auf den Hamburger Zoll! Und so bekamen wir nach SIM-Tausch stresslos unsere Maschine.

Eingequetscht in eine überbuchte und nach portugiesischen Gardemaßen geschneiderte TAP-Maschine - meine Knie wollten einfach nicht hineinpassen und nachdem mein Vordermann seinen Sitz auf Schlafmodus stellte, lag er seelig in meinem Schoß - landeten wir nach einem minimalistischen Imbiss am Nachmittag im regnerischen Lissabon. Aber immerhin bei 16 Grad Celsius, also schon mal 20 Grad wärmer, als daheim.

Altstadt

Der Ausflug in die Altstadt wurde ob des grässlichen Sprühregens kürzer als erhofft und so landeten wir direkt im Café und Restaurant Martinho da Arcada in Hafennähe. Wir waren gegen halb sechs dort und Essen gab´s angeblich erst ab 19:00 Uhr.

Martinho-da-Arcada

Da wir erklärten, bei Kaffee die Zeit überbrücken zu wollen, entschied sich der Kellner den Koch darum zu bitten, statt nur für das Personal auch bereits für uns was zu zaubern. Das tat er dann auch und zwar extrem delikat. Die Preise sind inzwischen zwar gehoben, aber alles passte und wir fuhren kugelrund und völlig entspannt zurück ins Hotel.

5:00 Uhr

Der Wecker ging schon wieder. Was für eine Urlaubsstrapaze! Sechs Uhr ging das Shuttle zum Flughafen. Landung nach einem vierstündigen Flug mit Gott sei Dank mehr Platz an Bord.

Das Don Paco lag wie versprochen am Hafen von Mindelo, war sauber und nur ein wenig hellhörig. Großer Vorteil des Hotels gegenüber anderen, war die Bar, die sogar Hendrick´s vorrätig hatte und einen Hotspot-Zugang ( 1 Stunde = 3,00 Euro) - keine Selbstverständlichkeit auf der Insel. Mindelo selbst ist gefühlte drei Straßenzüge groß und mutet bei der Farbe der Häuser fast ein wenig karibisch an. Uns verschlug es nach kurzem Rundgang direkt in den Club Nautic...

Nautic-Bar

Es gab unglaublich zarten aber fantastisch gewürzten Garupa - ein roter Fisch, den ich jedenfalls bisher nicht kannte - aber auch ein einheimisches Bier der Marke Strela. Einziges Manko: sie haben es in winzige Flaschen abgefüllt, was zwei schwedischen Leidensgenossen ebenfalls gegen den Strich ging, mit denen wir uns bereits das Taxi vom Flughafen zum Hotel geteilt hatten und ihnen im Hinblick auf die Größe der Stadt samt allen Fluchtpunkten gezwungener Maßen immer wieder über den Weg rannten.Zum Garupa gab es noch kleine gebratene Kartoffelwürfel, die Erwähnung verdienen, weil sie ebenfalls gut gewürzt, aber auch mit gleichen Anteilen von Knoblauchzehen zu Kartoffelknollen gemixt waren. Ich war im Paradies, stank hinterher aber eher nach mindestens einer Etage tiefer ...

Hafen

Während wir den Sonnenuntergang mit Wein genossen, joggte halb Mindelo an uns vorbei und bei den wenigen übergewichtigen Menschen hier, machte das Abhängen am Hafen eher ein schlechtes Gewissen, als Spaß. Also verdrückten wir uns irgend wann ins Hotel, um nach einem gefühlt zu kurzen Schlaf erneut von den militärischen Jogging-Gesängen junger Kadetten geweckt zu werden. Mein Gott, nahm das denn überhaupt kein Ende? Nein! Die Menschen liefen den ganzen Tag leichtfüßig Hänge hoch und runter, am Hafen lang und stoppten nur, um noch ein paar Klimmzüge an dafür vorgesehen Stellen einzuschieben und sahen einfach alle unverschämt gut aus.

Ich kriegte Hunger!

Während eines ausgiebigen Frühstücks versuchte ich die Herbergslage auf Santo Antao zu checken. Normalerweise schaue ich einfach in dem Ort, in dem ich lande, ob sich was findet, aber Ostern steht vor der Tür und wenn es hier Touris in den drei Pensionen und Hotels gibt, dann Ostern. Alles was ich anfunkte war ausgebucht. Normalerweise schockt mich auch das nicht, denn irgend was geht immer, aber Gundel wurde unruhig. Also kontaktierte ich eine Dame von Mindelo Vista Verde Tours, die auf eine meiner Buchungsanfragen in deutsch geantwortet hatte. Sie erklärte, dass es ziemlich kurzfristig sei, dass sich aber was finden könnte, wenn wir sie in ihrem Office in Mindelo besuchen würden. Wo wir sie denn genau finden könnten - eine Adresse außer „Mindelo“ wurde auch im Abspann der Mail nicht verzeichnet - beantworte sie mit:

„unser befindet sich nicht weit von Praca Nova, neben discotheke Syrius. Das Haus wo wir sind hat Holzterasse und wir sind im 2. Stock.“

Aha! Was hieß jetzt auf Kapverdisch „in der Nähe“? Und wo war diese verdammte Disko?? Wir umrundeten den kleinen Park, der sogar fast neben dem Paco lag, in immer größer werdenden Kreisen und fanden die Diskothek! Aber kein Schild von Vista Verde ... Holzbalkone gab es auch nicht wirklich. Vielleicht ein paar Holzverkleidungen, die aber an mehreren Häusern. Eine Dame in einem Shop drückte dann auf unsere verzweifelte Anfrage den Klingelknopf der Nachbartür ... und siehe da .. uns empfing die nette Frau Szabo. Für ihre ungarische Herkunft und den Kapverdischen Pass sprach sie zu gut deutsch und erläuterte, dass sie das mal studiert hätte. Dank Frau Szabo buchten wir dann sicherheitshalber durch - drei Nächte in Ribeira Grande - sechs im Paul-Tal und dann den Rest wieder in einem netten Hotel in Mindelo. Dazu gabs noch ein paar wunderbar klingende Tipps für Touren und die dringende Bitte, ein Feedback zu den Unterkünften zu geben. Sie traute dem Frieden und den versprochenen Buchungen nicht wirklich über den Weg.

So wollten wir zum Beispiel ein Doppelzimmer mit zwei einzelnen Betten, was nach Auskunft der Pensionen kein Problem sei, Frau Szabo aber für nicht glaubwürdig hielt. Es blieb also trotz Durchbuchung nach wie vor spannend...

Nach soviel Arbeit erst einmal Sport!

Wir wollten auf den höchsten Aussichtspunkt von Sao Vicente, den Monte Verde (750 m). Ein kurzes Telefonat von der netten Dame am Empfang des Paco und 5 Minuten später stand Jorge vor uns - unser Flughafen-Taxi-Fahrer. Wir handelten 30 Euro heraus, und er fuhr mit uns erst die halsbrecherischen Serpentinen zum Monte Verde - nicht ohne an allen erdenklichen Aussichtspunkten zu stoppen, an denen uns der Wind fast vom Fels geblasen hätte - und dann wieder herunter zur Baia das Gatas.

Monte-Verde

An diesem recht langen, aber fast leerem Badestrand sind wir dann zwei Stunden rumgedümpelt, haben uns neben Sand in der Badebüx - es wurde einfach nicht tief, so das man sich wie ein Rentner in die laue Atlantik-Wanne legen und mit dem Hintern über den Boden schleifen musste - auch noch den ersten Sonnenbrand geholt.Trotzdem ein voller Erfolg. Wir waren geschafft von der Anstrengung der letzten drei Stunden und kehrten glücklich nach Mindelo zurück, wo wir dieses mal ohne schlechtes Gewissen den Joggern hinterher schauen konnten, während wir die ersten homöopathischen Dosen Strela orderten.

Shila - die Bedienung - hatte Musik gegen acht versprochen und pünktlich gegen neun ging´s in der Nautic Bar los. Drei Jungs - einer am Bass, einer an der Gitarre und ein Sänger - boten unglaubliche einheimische Musik dar, die zum Teil an portugiesischen Fado, teilweise natürlich an Cesaria Evora - der berühmtesten Diva der Kapverden - aber manchmal auch ein wenig an Salsa erinnerte.
Unglaublich schön ... melancholisch und dann wieder peppig. Nach einem weiteren fantastischen Essen und zwei Stunden Musik gab Gundel auf und verschwand ins Hotel, während ich mich mit den inzwischen vertraut wirkenden Schweden durch die Strela Vorräte kämpfte. Die Jungs waren hier zum Fischen und hatten sage und schreibe, für eine viertägige Tour auf der sie den Blue Marlin fangen wollten pro Mann 3.500 Euro gelöhnt. Es gibt so viele Verrückte auf dieser Welt! Aber noch unsicherer wurde ich über den Geisteszustand der beiden Neufamilienmitglieder, als sie mir erklärten, dass sie wohl in den vier Tagen mit weiteren 4 bis 5 Leuten nicht mehr als zwei Fische an Bord ziehen werden und die dann nicht etwa essen, sondern zurück ins Meer werfen ... Wahrscheinlich, damit einer der Mitstreiter dem Biest bei Wasserkontakt direkt seinen Haken der Angel ins Maul halten und auch einen Jagderfolg vorweisen kann - das wäre dann Fisch zwei der Tour. Die Schweden spinnen!

Aber sie zahlten mir meine frechen Sprüche heim, indem sie aus dem Nähkästchen über deutsche Touristen in Schweden plauderten und sich diebisch freuten, dass ich nun als Opfer für die kaputte Bande herhalten musste. So gibt es wohl bei den Schweden die Regel, dass jeder sein Zelt überall aufbauen darf, wo er will. Erwischt er dabei trotz der Weite fremden Besitz, so darf er zumindest eine einzige Nacht dort campen. Und nun ratet! Der Deutsche kennt seine Rechte! Ich war fassungslos. Ich werde mich demnächst mit meinem Zelt bei den Nachbarn ohne zu fragen einrichten...

5:00 Uhr und ich hab ein verdammtes Deja Vu ...

Hafenview

Unsere Fähre geht um sieben und da sein müssen wir halb. Ich dreh noch durch. Aber auch das haben wir gemeistert, ich dann sogar die etwas wackelige Überfahrt ohne Seekrankheit! Eine Glanzleistung, denn als Kind wurde mir sogar auf ner Schaukel schlecht und die Story mit dem gelben Gummiboot auf der spiegelglatten Ostsee kennt inzwischen jeder...

Wahrscheinlich war mein Magen aber einfach nur noch nicht wach ... Kaffee und Frühstück gabs nämlich erst am Hafen in Porto Novo auf Santo Antao. Dort charterten wir nach dem ersten Imbiss einen kleinen Van, der sonst als Sammeltaxi fungierte, handelten 60 Euro für die Fahrt über die von allen Seiten empfohlene „Old Road“ aus und starteten in die Welt der Serpentinen.

Old-Road

Da war sie wieder die Seekrankheit ... Überlistet haben wir diese lästige Begleiterin mit tausend Stopps für Fotos oder beim Aufsammeln von Einheimischen.
Eigentlich hatten wir den Wagen allein gebucht, doch das sah man ja von außen nicht und daher gaben Passanten Zeichen, wenn wir näher kamen, weil sie mit wollten. Der Fahrer fuhr vorbei, doch wir insistierten umgehend und alle - inklusive Fahrer - waren glücklich. Die Leute mussten nicht weitere Stunden auf ein Fahrzeug warten - es gibt keine regulären Abfahrtzeiten solcher Taxis - der Fahrer verdiente noch ein paar Escudos und wir freuten uns über die glückliche Meute Kinder samt zweier Mütter auf unseren acht freien Sitzen ... Allerdings mussten die Mitfahrer ein paar unfreiwillige Stopps in Kauf nehmen, wenn ich ob der wahnsinns Berge in Fotoextase geriet und ständig aus dem Wagen wollte.

Old-Road1

Old-Road2

Wir passierten den Krater in der Mitte der Insel und derart schroffe hohe Berge, die ich das letzte Mal in dieser Ausführung auf Madeira gesehen hatte. Erstaunlich war aber auch die Vegetation. Um Porto Novo herum war der Fels karg und wüstenartig, wie die gesamte Insel Sao Vicente. Sobald man aber auf dem ersten Bergkamm war, stand man inmitten von Kiefernwäldern, fruchtbaren Tälern und terrassierten Berghängen. Was für ein Kontrast!

Ribeira Grande sieht man bereits von hoch oben in einem trockenen Flusslauf am Meer. Und irgend wie wird die Ansammlung kleiner Häuser nicht größer je tiefer und näher man kommt. Der winzige Ort besteht aus drei „Stadt-“ Teilen, wobei das Zentrum recht belebt ist. Alle hängen auf der Straße rum und machen .. ja was eigentlich?

Unsere süße Pension wirkte morgens gegen halb elf noch etwas lethargisch - was man mit den Feierlichkeiten am gestrigen Abend entschuldigte. Das Divin Art ist eine privat geführte Pension (drei Doppelzimmer, a 35 Euro die Nacht) im Haus der Inhaber. Achja, es gab natürlich keine zwei Betten in dem gebuchten Zimmer, so dass wir kurzerhand das noch freie zweite Zimmer dazu buchten. Im Divin Art wird man automatisch Teil der Familie, die mit zwei bis drei weiteren Angestellten den Betrieb führt. Wir fühlten uns sofort wohl und akklimatisierten neben einem kurzen Rundgang fast den gesamten Tag auf dem Anwesen. Neben einem Restaurantbetrieb bietet das Haus auch einheimische Kunst. Abends spielen die Inhaber auf der Gitarre einheimische Klänge und singen abwechselnd dazu bis weit in die Nacht. Irgend wie angenehm verwunschen ...

Außerdem sind die beiden offenbar tierlieb, was hier nicht unbedingt üblich ist und schienen neben dem eigenen Haushund gewillt zu sein, einen sehr jungen zugelaufenen Streuner aufzupeppeln. Allerdings hielt diese Information Gundel nicht davon ab, das AntiBrumm zu zücken und auf den kleinen Flohzirkus los zu gehen. Sie überlegte zwar trotz der willigen Hausherren auch dieses Tier nach Deutschland zu entführen, (neben den anderen gefühlten 200 Hunden, die wir zuvor gesehen hatten) brummelte aber wenigstens nicht alle zwei Minuten mehr vor sich hin: „Ich fasse es nicht! Süßiiiiiili! Ich bringe Futter!“ ... Gundel on mission!

Hund

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