Sonntag, 12. Januar 2014

Istanbul

Abgezockt und mit Geld beworfen ... das türkische Ying - Yang?


Istanbul - Drehkreuz für Handel seit Jahrtausenden. Aufgrund der strategisch wichtigen Lage auch heiß umkämpft ... bis heute. Waren die Siedler und Belagerer früher Griechen, Perser und Römer, so fallen heutzutage Deutsche, Russen und Briten über die Stadt her. Geändert hat sich sich lediglich die Art der Kriegsführung. Während man vor ca. 1500 Jahren auf eine Belagerungszeit von 10 bis 30 Tagen schwor, halten die modernen Belagerer fast das gesamte Jahr die Stellung. Sie bedienen sich dabei einer perfiden aber ausgeklügelten Austauschtaktik. Die jeweiligen Vasallen der Belagerungswelle werden nach 10 bis 14 Tagen durch neue getauscht und mittels einer modernen Kriegswaffe - der Charterflieger - preiswert und zivil getarnt eingeschleust. Geködert werden die vielen Freiwilligen - auch das ist eine sensationelle Neuerung zur Geschichte - mit der den Plünderungen ähnlichen Schnäppchenjagd. Selbstverständlich waren meine Motive nach Istanbul zu fliegen reiner Natur! Ich folgte einer Hochzeitseinladung und befand mich in Gesellschaft der Mutter und der Großmutter der Braut. Um unsere lauteren Absichten zu unterstreichen, buchten wir einen am Flughafen gebotenen Shuttelservice und wurden für 50 Euro zum Hotel gefahren, was schon mal klar kein Schnäppchen war. Verwirrend war allerdings die Absage des Fahrers, den wir vertrauensvoll für unsere Anreise zur Hochzeit am übernächsten Tag auf die asiatische Seite Istanbuls chartern wollten. Er erklärte kurzerhand, das wäre ihm zu weit. Die wirtschaftliche Kalkulation hinter dieser Erklärung war zunächst nicht nachzuvollziehen.

Während der Fahrt zu unserem Hotel drängte sich das nur aus dem Augenwinkel wahrgenommene Bild von hunderten Klamottenläden in mein Bewusstsein. Das Hotel lag wie eine Insel mitten darin. Trotz eisernen Vorsatzes, nicht zu den Plünderern gehören zu wollen, fehlte mir doch noch dies und das für mein Hochzeits-Outfit. Also zog ich mit den Freundinnen im Schlepptau los, die Marktsituation in unserem Viertel zu erkunden, selbstverständlich widerwillig! Aber ach, die Bewohner der Stadt waren auf die Eindringlinge bestens vorbereitet. Sie boten die Ware schon mit in den Scheiben und Wänden geprägten fremdländischen Lettern feil. Russische Inschriften konnten mich nicht schrecken. Mit meinen rudimentären Russischkenntnissen konnte ich der Vorherrschaft der zweitgrößten Belagerergruppe Istanbuls in meinem Viertel noch ein paar Meter streitig machen. Als mir dann aber jede der angesprochenen Verkäuferinnen erläuterte, ich könne nur kaufen, wenn ich ein Teil in mindestens vier verschiedenen Größen erwerben würde, war ich geschlagen. So ein Mist! Verkauf nur an Händler.


Also wichen wir auf Bildung aus, zahlten 20 Euro in einem Taxi um nach gefühlten 45 Minuten am Topkapi-Palast ausgesetzt zu werden. Die Schlange an der Kasse für Eintrittskarten zog sich in riesigen Mäandern über den Park fast bis zur blauen Moschee. Die wiederum war gerade für Besichtigungen geschlossen - es wurde gebetet. Während wir für eine Sekunde hilflos vor den Menschenmassen hielten, bekamen wir von mitfühlenden Türken - selbstverständlich in deutsch - Zuspruch. Und ganz nebenbei schoben sie uns Werbeflyer für Bootstouren auf dem Bosporus mit dem auf den Karten schriftlich fixierten Versprechen zu, nur für uns 5 - 10 Euro Rabatt zu gewähren. Wir waren dankbar, dass man in uns offenkundig Individual-Reisende erkannte und uns daher mit so viel Entgegenkommen bedachte und verzogen uns in sichere Entfernung zu den Touristenhorden auf die Dächer der Stadt.

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Tatsächlich befindet sich auf bestimmt jedem zweiten Haus in Istanbul ein Dachgarten, Dachterrasse oder wenigstens riesiger Balkon mit Blick auf das Wasser und/oder eine Sehenswürdigkeit.

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Die Restaurants in den Nachbargassen zum Topkapi und der Blauen Moschee haben alle Dachterrasse und die Auswahl fiel schwer. Wir landeten in einem entzückenden kleinen Restaurant, dass uns lediglich 80 Euro für den kredenzten Fisch berechnete. Ob der grandiosen Aussicht, die uns irgend wie in eine wunderbare Trance versetzte, zahlten wir ohne zu zögern alles was sonst noch so berechnet wurde.

Die für den nächsten Tag aufgeschwatzte Bootsfahrt brachte uns wieder zum Topkapi. Dort sollten wir abgeholt werden. Also machten wir uns auf den Weg. Unsere Anfrage an der Hotelrezeption bezüglich eines Taxis wurde wie am Tag zuvor mit Unverständnis honoriert. Wir sollten doch besser Straßenbahn fahren. Also fingen wir uns ein Taxi auf der Straße, benötigten erneut ca. 45 Minuten und wunderten uns, wieso das Hotelpersonal uns immer wieder in die Tram verfrachten wollte. Wer weiß, wie lange wir dafür benötigen würden, samt Ticketkauf und allem Drum und Dran.... Bis zum vereinbarten Abholzeitpunkt flüchteten wir in ein nahe gelegenes Cafè und fanden uns bei Abholung doch in einer Touristengruppe, deren Anführer mit Schirm voraus weitere Horden einsammelte. Wie die Ratten folgten wir dem Herrn, der statt Flöte mit einem Schirm bewaffnet war, zum Anleger und wurden auf dem Boot bereits mit Techno-Sounds in Empfang genommen. Mit einem Bier bewaffnet - Gott sei Dank gab es Alkohol an Bord, der mein sensibles Gleichgewichtsorgan beschäftigte und mich so vor Seekrankheit und Mordlust wegen der Musik rettete - genossen wir die großartige Szenerie.


Jagdbeginn


Angeln

Na gut, soweit man sie überhaupt sehen konnte. Wenn unser Kapitän nicht wieder in wilder Jagd andere Ausflugsschiffe überholte, die dann die Sicht versperrten. Meist hat er die Rennen gewonnen, so dass wir dann doch wieder einen Blick auf die Ufer ergattern konnten.

Aksaray


Prinzessin

Im Anschluss erklommen wir dann wieder unsere Dachterrasse und aßen an diesem Abend mal keinen teuren Fisch.

Abendstimmung1


Die-Blaue

Für die Rückfahrt versicherten wir uns, dass diese nur 20 Euro kosten würde. Vor dem Hotel angekommen wollte der nette Fahrer dann aber 30, weil das eben seine Taxiuhr anzeigte und als wir ihm lediglich die 20 gaben, gab es großes Geschrei. Er fuhr wieder an und wir mussten uns mit einem Sprung aus dem Wagen retten. Das Geld hatte ich ihm vorher auf den Beifahrersitz geworfen, was ihn dazu veranlasste sofort in die Eisen zu gehen und uns unter wüsten Beschimpfungen die Münzen hinterher zu werfen. Wir retteten uns ins Hotel...

Den Schock bekämpften wir später mit einem Drink. Die unzähligen Bars und Restaurants in der Fußgängerzone Richtung Taksim-Platz sind nicht gerade preiswert - aber was ist das überhaupt in Istanbul? Allerdings findet sich so manch skurriler Laden, in dem die Barkeeper selbst Tonic aus geheimnisvollen Ingredienzen anmischen.

Barbara1

Wir fanden einen netten Club mit Live-Jazz und kamen erst spät in der Nacht zurück.

Am nächsten Tag ging es auf zur Hochzeit. Wir nahmen wieder ein Taxi - nicht ohne vorher Selbstverteidigungs-Strategien zu entwickeln - sahen uns aber ganz anderen Problemen ausgesetzt. Die gesamte Brücke in den asiatischen Teil war ein einziges Verkehrschaos. Glücklicherweise rannten zwischen den hektisch von rechts nach links wechselnden Wagen - was keinen Zentimeter Streckengewinn brachte - Jungs, die Backwaren anboten. Verhungern mussten wir hier also nicht. Nach einem obligatorischen Zusammenstoß mit einem Kleintransporter - unser Fahrer erläuterte, dass man hier einfach weiter fährt, wenn kein großer Schaden entstand - erreichten wir dann doch noch die Hochzeitsgesellschaft. Der Stadtteil Beykoz ist ein sehr nobles und im Grünen gelegenes Plätzchen. Dass man hier noch in Istanbul ist und gerade dem Verkehrstod entkam, war sofort vergessen. Allerdings fror ich mir während der langen und ausufernden Braut und Bräutigam-Präsentationen und Fotosessions in meinem Kleidchen fast die Hacken an. Eine süße ältere Dame - ich konnte die Ladies ob des gemeinschaftlich getragenen schwarzen Tschadors mit bestem Willen nicht auseinander halten - wollte mir daher eben diese Tracht ans Herz legen. Ich lehnte dankbar ab und stellte mich auf die wohl folgende Erkältung ein, nur weil ich die praktischen Vorzüge des Schleiers einfach ignorant ablehnte.

Nachdem auch einige der männlichen Gäste, die sich wohl ebenfalls aufwärmen wollten, keinen Alkohol in einem Kiosk um die Ecke auftreiben konnten, musste auf dem Heimweg noch ein solcher überfallen werden. Irgend wie mussten wir ja alle wieder warm werden.

Aksaray-nachts

Nach den gemeisterten Scharmützeln der letzte Tage wurden wir übermütig. An unserem letzten Tag wollten wir den großen Basar besuchen und die Anfahrt tatsächlich mit der Tram versuchen. Die Station fand sich ca. 150 Meter entfernt von unserem Hotel. Die kleinen Bahnsteige kann man nur über ein Drehkreuz nach Kartenkauf betreten. Davor finden sich Automaten, die in englischer Sprache fast selbsterklärend zur gewünschte Karte führen (2,50 Euro) und nach 10 Minuten waren wir am Basar - unweit des Topkapi! So eine Grütze... Ablenkung von der Schlappe der letzten Taxitage fand ich erst wieder in den verwirrenden Gässchen mit versteckten Cafés im Markt und nachdem ich eine kleine Spinnerei entdeckte, in der güldene und silberne Fäden gesponnen wurden.

Markt1


Spinnerei

Alles im Lot war dann wieder nach der letzten Fahrt zum Flughafen, Das Hotelpersonal, dessen Rat ich ab jetzt als heilige Worte ehren wollte, erklärte, die Fahrt würde nicht mehr als 40 Euro kosten. Haben wollte der Taxi-Schurke 70! Während ich meine im Markt erworbenen bemalten - angeblich historischen - Kacheln durch den Zoll schmuggelte, dämmerte mir, dass nicht Istanbul belagert wird, sondern die ehemals kriegerischen Türken ihre Plünderungszüge nun praktisch vor Ort abhielten, ohne die Stadt verlassen zu müssen. Nach einer Taxifahrt hat der Fahrer seinen halben Wochenlohn und hat erst mal frei ...

Merhaba!

Sonntag, 14. April 2013

Adeus Cabo Verde

An unserem letzten Morgen in unserer Jugendherberge auf dem Berg berichtete uns die Herrin des Kühlschranks kurz bevor wir abstiegen, dass gestern ein Einheimischer anrief und viermal auf Creol fragte, ob dort oben zwei Damen wohnen, die morgen gegen 14 Uhr abreisen wollten. Sie hätte dies leicht genervt bejaht, denn wir hatten sie darüber informiert, dass wir einen Abholservice geordert hatten. Aber auf die Idee, uns davon gestern zu erzählen, war sie irgend wie nicht gekommen. Lediglich kurz vor unserem Verschwinden sollten wir noch einmal angemessen honorieren und loben, dass sie Creol verstanden hatte.

Naja, wir erwarteten eh nichts mehr von der Dame, wenngleich sie unseren Preis abrundete. Aber um an diesen Ort wiederzukehren bräuchte es meiner Meinung nach mehr Feeling ...

Und unser Creol sprechender Taxidriver kam überpünktlich! Wir hüpften rein und dann ging´s Richtung Porto Novo. Dort angekommen, hatten wir noch ca. zwei Stunden Zeit, bis unsere Fähre erwartet wurde.

Tuninha

Ein Blick auf die Meerpassage ließ mich allerdings zu unserer speziellen Wasserflasche greifen. Auf den Schreck und für diese Wellen da draußen musste ich dringend mein Gleichgewichtssinn aus dem Ruder bringen ...

Und was soll ich sagen! Die an Bord verteilten Tüten brauchten zwei Einheimische aber nicht die seefest getrunkenen Touris! Wäre auch schade um das leckere Essen am Hafen gewesen :-)

Ablenkung gab´s zudem noch von zwei mit Instrumenten ausgestatteten Mitreisenden, die mal wieder melancholisch die Überfahrt begleiteten.

Band2

Oh man, ich will hier nicht weg!

Abschied

Als wir dann endlich in Mindelo strandeten, kannte keiner der befragten Taxifahrer das von Frau Szabo für uns organisierte Casa Colonial... So eierten wir erst einmal 40 Minuten durch die City, bis ich bei Vista Verde Tours anrief und an den Taxifahrer weiter gab. Dann fand er das Plätzchen endlich - ein schönes Kolonialhaus im Zentrum in einer Seitenstraße und mit grüner Fassade. Allerdings fehlte jeder Hinweis auf eine Pension, so dass wir zunächst zaghaft klopften. Doch Samira, die die Anlage führt, öffnete erfreut und nach einem ersten Rundgang mit ihr, wussten wir: „Volltreffer“. Dieses kleine Haus ist liebevoll restauriert, wunderbar, fast modern eingerichtet und durch die Gastfreundschaft von Samira wird der Aufenthalt dort zu einem Erlebnis. Es gibt ein größeres Doppelzimmer mit einzelnen Betten und einem wirklich schönen innen liegenden Bad und weitere Zimmer, die ein gemeinsames Bad auf der Terrasse im Innenhof des Hauses teilen. Wir hatten selbstverständlich das Zimmer mit eigenem Bad blockiert ... und: wir durften Eier zum bereits abwechslungsreichen Frühstück bestellen!!!

Amel

Die letzten Tage und Abende verbrachten wir abwechselnd an der Marina, in der Gundel eine Amel entdeckte - sie hatte mal ein solches Segelschiff -, am Pool im Hafen und Abends bei Livemusik im Club Nautic.

Band

Wieder getroffen haben wir Touristen, die wir schon im Casa das Ilhas mochten und auch welche, die wir irgendwann zuvor in Mindelo gesehen hatten. Das Ganze hat etwas von kleiner Familie. Man trifft sich immer und überall wieder, soweit man nicht mit organisierten Touren unterwegs ist. Am Sonntag war der Club Nautic geschlossen und zwang uns zu einem Restaurantwechsel ... Grundsätzlich eine gute Sache, aber wir erwischten das sehr zentrale Restaurant Chave D´Ouro an einer Ecke mit großem Balkon in der ersten Etage ... Das Restaurant bot auch Unterkünfte und wir kehrten ob des zunächst guten Eindrucks ein. Innen änderte das Bild schlagartig, denn es gab einen wüsten Mix aus Elch-, Jagd- und Marley-Bildern, staubigen Storen, gammligen Toiletten und für hiesige Verhältnisse zu hohen Preisen. Das Essen war übel und mir hinterher auch. Wir türmten aus dieser Touri-Falle und nachdem mir fast die Gambas hoch kamen - mindestens eine war wohl etwas älter - musste ich dringend in eine Bar und das Zeug mit Schnaps innerlich desinfizieren. Und siehe da: Es gab eine kleine Eckbar direkt gegenüber mit vier Tischen, aber einem ausgesuchten Sortiment an Alkoholika, die nicht die Schlechtesten waren. Der Laden sah abgerissen und doch irgend wie kultig aus: Ich wollte da rein!!! Gundel: „Oh Gott nein! Was für ein düsterer, gefährlicher Laden und nur zwei düstere, gefährliche Leute drin“ Ich: „Ich brauche Grogue, die Tiere auf dem Teller waren alt! Ich muss da rein!“ Gundel: „NEIN!!!“ Ich: „Los“ und schob sie in die Tür. Gundel hatte keine Chance ... der Laden wirkte wie das Zwick von Mindelo (das im Hamburger Mittelweg ist meine Stammkneipe) und mein Gefühl für gute Läden täuschte nicht, wie die erste Order von Grogue bewies. Uns wurde ein güldener alter samtiger Grogue serviert, der mich fast vergessen ließ, dass ich diese Art von Brand eigentlich nicht mag. Nach ca. 10 Minuten fuhr und stoppte fast mit Notbremsung der Chef des Ladens am Fenster, jagte seine Mitarbeiterin ob der interessanten Touris davon und bediente den gesamten Abend selbst.

Keine Ahnung wann und wie, jedenfalls stand ein Mann in der Runde und erklärte, er hätte mal Keyboard für Cesaria gespielt. Ich: „Beweisen!“ Er verschwand für 5 Minuten und tauchte dann mit seinem Keyboard bewaffnet unter dem Arm wieder auf, baute auf und ... spielte sich über zwei Stunden in Rage!!!

Piano

Er hatte seine Spielerei zwar mit einem üblen Synthi-Sound unterlegt, der seine Musik irgend wie so TUI-Hotel mäßig anmuten ließ, dennoch hatte er ein riesiges Repertoire und spielte und sang zwischendurch auch wunderbare kapverdische Weisen. Hammer! Nachdem er verschwand, wie er kam ... also keine Ahnung wann und wie ... waren zwei alte Männer dort, die mit ihren Gitarren ohne Pause weiter machten ... Musik!!!! Nach unglaublichen Mengen Grogue, die die Meeresviecher töteten, viel Tanz mit dem Chef Chico und einem Zickzack Parkur heim, schliefen wir seelig in unserem Refugium der Ruhe.

„Was? Was ist los?“ Oh Mist ... Bauarbeiten! Es war sieben und im Hof stemmten Arbeiter die Schalung ein ... Jetzt hatte ich verstanden, warum Ohrstöpsel auf dem Bett, statt eines Betthupferls lagen! Nach drei Kaffee war alles egal und wir genossen unseren letzten Tag mal wieder mit Hafen, Pool und Garupa im Club Nautica.

Sonntag, 7. April 2013

Kapverden Teil 3

Ankunft 20 Minuten später am Cargo-Container, dem Treffpunkt vor dem Aufstieg zur Casa das Ilhas. Unsere vom Hotel gesandten Kofferträger warteten schon: eine ältere Dame, die auf einem zum Kranz gerollten Handtuch Gundels Koffer auf dem Kopf balancierte und ihr über und über mit Muskeln bepackter Sohn, der sich über meine Habe her machte. Die beiden schleppten das Zeug mit einer Grazie und selbstverständlich leichtfüßig einen mörderischen Weg den Hang hoch. Wir stoppten zwischendurch dreimal und waren völlig erledigt. Gott, war das deprimierend. Nur unser Stolz verhinderte eine Ankunft auf allen Vieren.

Endlich oben empfing uns die Hausherrin und wies uns in die Anlage ein. Das Hotel besteht aus mehreren kleine Häuschen mit Zimmern verschiedener Größe. Bei den meisten teilt man sich mit dem Nachbarn das Bad, inklusive einem großen Haustier der Spezies haarige Spinne.

Tekla

Wir hatten ein innenliegendes Bad gebucht und damit wohl das größte Zimmer erwischt. Es war mit 5 Betten ausgestattet, getrennt durch Vorhänge. Hatte ein wenig Jugendherbergsflair. Auch die Art, mit der man uns erläuterte, Kerzen wären im Zimmer nicht erlaubt - Taschenlampe sollte also jeder Reisende dabei haben, denn Stromausfälle gibt es hier recht häufig - und die Info, man müsse gegen sieben zum Essen erscheinen, bestätigten das Feeling. Im Essbereich mit Blick in die Schlucht gibt es den Gemeinschaftskühlschrank und ein Büchlein, in welches man seine Entnahmen selbst einträgt. Aber Achtung! Wie in jeder ordentlichen Jugendherberge wird die Tür zum Kühlschrank gegen 23:00 Uhr ohne Vorwarnung für den Zugriff verschlossen. Man sollte also eigene Vorräte anlegen, soweit man mit netten Mitreisenden mal ein längeres Abendschwätzchen halten will.

Da hier in diesem Adlerhorst offenbar hauptsächlich Wandervögel nur für kurze Zeit bleiben, um dann direkt weiter zu fliegen, ist alles auf eine kompakte Freizeitgestaltung ausgerichtet. Es gibt Routenpläne, die entliehen werden können oder von der Hotelchefin in jeder beliebigen Sprache erläutert werden, Lunchpakete und alle weiteren möglichen Tipps und Hilfestellungen. Organisiert wird quasi alles und prompt. Uns fehlte in der dennoch recht kleinen Anlage aber das familiäre Feeling und wir sehnten uns ein wenig zu unseren musizierenden vorherigen Gastgebern zurück. Abgefüttert und abgehakt fühlte man sich dort nie. Apropos abgefüttert. Sollte tatsächlich irgend eine lange Wanderung geplant sein, unbedingt irgendwo ein Lunch einnehmen. Das Frühstück besteht ausschließlich aus Marmeladen, einem relativ faden weißen Käse, einem guten Joghurt - der selbst gemacht ist - weißen Brötchen und einer Banane. Dazu gibt es frischen Saft, Kaffee und Tee, zu meinem Leidwesen aber nichts herzhaftes, wie Ei oder irgend eine Wurst. Nach drei Tagen haben wir uns Wurst in Dosen aus einem Mercado im Dorf gebunkert und zum Frühstück mitgenommen ... Das Abendessen im Ilhas ist abwechslungsreich, aber für ausgemergelte Wanderer nicht immer ausreichend und nicht immer geschmacklich das Richtige. Es wird - mit Ausnahme von vorher kundgetanen Sonderwünschen, wie Vegan etc., für alle das gleiche Essen bereitet und serviert, aber es besteht eben keine Möglichkeit der Nachbestellung. Unser erster Abend endete ziemlich hungrig und konnte nur mit mehreren Strela aus dem Herbergskühlschrank überstanden werden. Danach tasteten wir uns an den steilen dunklen Abhängen über die Treppen zu unserem Appartement - es war Stromausfall und wir hatten unsere Lampe im Zimmer.

Gelegen ist das Ilhas allerdings traumhaft. Erhaben hängt es auf einem hohen Berg, umringt von ca. 1.000 Meter hohen Kraterwänden und nach vorn offen mit Blick in den Talkessel bis zum Meer. Ab und zu fliegen Fetzen von Musik vorbei, wenn auf den Nachbarhängen irgend wo ein Party abgeht ... und das tut es scheinbar fast täglich, oder es laufen rhythmisch trommelnde Menschen die Hänge hoch und runter. Musik scheint das Leben auf den Kapverden zu bestimmen. Für mich das Paradis. Ich weiß gar nicht, wo ich gelesen hatte, dass hier zwar viel musiziert wird, man aber Glück haben muss, um Livemusik zu erleben. Ich glaube, wir hatten keinen Abend ohne...

Der Sternenhimmel hier ist ebenfalls gigantisch. Ich fieberte jedem neuen Stromausfall entgegen, der dazu führte, das man vor Sternen nicht mal mehr die paar bekannten ausmachen konnte. Ich konnte nicht anders und hab dann den Abend mit Jazz (Caro José´s , „Turning Point“) ausklingen lassen - übrigens zur Freude der belgischen Nachbarn, die „lauter“ skandierten.

Angesehen haben wir uns den nächsten Tagen ein paar Dörfer und die umliegende Bergwelt. So waren wir im Örtchen Janela - ein trostloser Platz auf einer Felsklippe über dem Meer - , Vila das Pombas und die Örtchen auf dem Weg zurück zum Hotel, mit kleinen Abstechern in Seitenstraßen; aber natürlich auch - wie es sich gehört - einige Wanderstrecken durch die Berge mit der Route 101 und 102. Eine der Routen führte uns zunächst bei einem Österreicher vorbei, der hierzulande fälschlich als „der Deutsche“ gehandelt wird. Er führt seit Ewigkeiten ein kleines Restaurant mit Biogemüse, selbst gebrannten Likören und Bränden und bietet die letzte Möglichkeit der Stärkung vor der wilden Bergpassage. Wir hätten uns dort außerdem Mut antrinken sollen ... Der Wanderweg führt dann wieder Hänge auf abenteuerlichen Wegen hoch und runter, und wieder hoch und wieder ... naja, man kann es sich vorstellen... bis in ein Flussbett. Flussbett? „Ich glaube, wir haben uns verlaufen.!“

Flussbett

Aber die Einheimischen, die uns mal wieder mit federnder Leichtigkeit entgegen kamen, bepackt mit Säcken voller irgend was, die sie über diesen Parkur schleppten, wiesen auf Nachfrage weiter voran. Voran? Wo war voran? Auf welchen Stein war er gerade geklettert? Und wo geht es nach dem großen Findling lang? Wir kletterten erst mal tapfer weiter. Angeblich ist ja der Weg das Ziel. Oh man, den Urheber dieses Spruches würde ich jetzt gern mal treffen. Aber bitte mitten im Zuckerrohr zwischen den Findlingen.

Jedenfalls quälten wir uns über die riesigen oder mal winzigen Geröllsteine auf mehreren hundert Metern Flussbett an zahlreichen kleinen Schnapsbrennereien vorbei, die die Hänge säumten. Man passiert dabei kleine Beete und Pflanzungen mitten im Flussbett, Rinnsale und hunderte Wasserkäfer. Wildromantisch, aber eben nicht ganz einfach. Gott sei Dank hatten wir zwei Lunchpakete des Ilhas (2 Bananen, 2 Joghurt, Brötchen, zwei Schmelzkäse und eine Dose Thunfisch) dabei. Klang zunächst etwas irre die Befüllung, war aber auf der Strecke genau das, was wir wollten und brauchten.

Den zweiten Teil der Tour durch die Figueiral nach Quintal und zurück Richtung Hotel - entweder mit Abkürzung über Passagem oder bis Boca de Figueiral - haben wir auf einen anderen Tag verschoben. Allein der Weg bis zum eigentlich schwierigen Aufstieg in Richtung Pico de Antonio und dann zurück zum Hotel über einen anderen Hang nahm ca. 6 Stunden in Anspruch. Wir sind keine Wanderfanatiker und die in Einheitskhaki gekleideten anderen Touristen haben natürlich nach dem gemeinschaftlichen Überfall auf einen Globetrotter daheim andere Ziele. Der Kram und seine Funktionalität muss schließlich getestet werden, solange es so was wie Garantie gibt. Und dann gibt es ja noch den internen Khakiträger-Wettkampf: „Höher, schneller, weiter, Insider“, der zu Höchstleistungen verpflichtet. Uns hat´s gereicht und wir haben ob des zu erwartenden übermächtigen Muskelkaters für morgen erst mal Faulenzen eingeplant. Allerdings weiß ich nicht, ob es so klug ist, dass Adlernest zu verlassen mit der zu erwartenden massiven Gehbehinderung. Ich fürchte, wir kommen nicht wieder hoch ... und wenn dann nur auf allen Vieren...

1:30 Uhr ... ich höre es rascheln. Mist, wo war die Taschenlampe? Ich schlafe immer bei offenem Fenster und wollte unbedingt soviel Natur und Sternenhimmel haben, wie aus dem Bett möglich war. Die Matratze nach draußen zu ziehen, haben ich nach der mit erhobenem Zeigefinger übermittelten Gebrauchsanweisung der Anlage durch die Hotelchefin nicht gewagt. Wahrscheinlich wäre ich beim nächsten Frühstück direkt vor allen offiziell getadelt und nach Hause geschickt worden. Das Problem mit dem offenen Fenster war allerdings, dass davor direkt der Aufstieg in die über uns liegenden Dörfchen verlief, ich also quasi auf die Hauptverkehrsstraße schaute. Und irgend etwas tat sich gerade im Dunkeln am Fenster. Da war die Taschenlampe. Spot on! und ein Typ, der halb durch das Fenster herein hing, erschreckte sich zu Tode. Ich hüpfte zum Fenster und konnte noch, bevor ich ihm das Fenster vor der Nase zuknallte seinem Lallen entnehmen, dass er wohl ziemlich verwundert feststellte, dass er nicht, wie gehofft, schon zu Hause war ... Eigentlich wollte ich sauer sein, weil ich nun in Erwartung weiterer betrunkener Heimkehrer von den umliegenden Feierlichkeiten mit geschlossenen Läden schlafen musste, aber da man ja auch selber schon mal seinen Schlüssel aus Versehen an der Tür des Nachbarn ruiniert hatte, ging das nicht wirklich.

8:00 Uhr. Aufstehen. Es ging. Nix Muskelkater. Komisch. Aber lazy day war lazy day. Strände gibt es hier nicht und wir waren zu faul, über Klippen zu steigen und hingen daher einfach wieder in Ponta do Sol ab. Der Hafen bot Kurzweil genug, da ständig neue Fischerboote ankamen. Die Hafeneinfahrt war etwas tricky. Die Boote konnten die steinige Passage nur meistern, wenn sie mit einem Wellenberg reinritten. Glücklich gestrandet wurden sie sofort von Kaufwilligen umringt und filetierten den Fang noch vor Ort.

Hafen1


Hafen11


Garupa

Zurück im Hotel hatte die Musik auf den Nachbarhängen gewechselt. Es gab keine Parties mehr, dafür x Trommler, die ähnlich den brasilianischen Rhythmen das gesamte Tal in Schwingung brachten. Angeblich fängt im April die Festivalsaison an und die Herrschaften wollten üben. Das taten sie dann ausgiebig bis weit in die Nacht. Irgend wann, mit neuem Versuch bei offenem Fenster zu schlafen, wurde das Trommeln dann so laut, dass ich wieder aufgeben musste. Gerade als ich am Fenster ankam, erreichten die Jungs unseren Bungalow und dieses mal war ich es, die erschreckt zurück sprang. Ich glaube es fiept immer noch im Ohr. Die haben direkt neben mir reingehaun und ich bin seit dem taub! „Sie mag Musik nur wenn sie laut ist ...“.

Trommler

Nachdem wir die Touren hier offenbar unbeschadeter überstanden, als erwartet, starteten wir am nächsten Tag mit einem Mix aus Aluguer und Taxi in Richtung Cova de Paul. Von diesem Krater inmitten der Insel aus, wollten wir absteigen und wenn alles gut ging, vielleicht bis ins Casa das Ilhas über den zuvor abgebrochenen Weg nach Quintal laufen. Unsere deutschen und niederländischen Mitstreiter, mit denen wir uns das Taxi teilten, wollten zunächst auf den wolkenverhangenen Pico da Cruz, den wir uns aber wegen der fehlenden Aussicht ersparten. Also sprangen wir am Krater raus und sahen zu, dass wir den Weg in den Kiefernwald nach unten zum Kratergrund fanden, denn der Wind hier oben am Rand in den Wolken war erbarmungslos. Glücklicherweise wurde es dann tatsächlich angenehmer und die Sonne zwischen den Wolkenfetzen wärmte wieder. Der Kratergrund wirkte mit seinen Feldern irgend wie gebügelt und als der Wind dann noch Wolken herein drückte, wurde alles in Watte gepackt und hatte ein bisschen mystisches Feeling.

Cova

An der kleinen Gärtnerei ging es dann wieder zum Kraterrand rauf - ein 15-minütiger nicht schwieriger Aufstieg -, um am Ende den Abstieg in Richtung Vila das Pombas zu wagen. Oben blies uns der Wind noch einmal ziemlich um die Ohren und wir konnten nur Stellenweise durch die Wolken in das Tal schauen, aber der Anblick war gigantisch. Von hier führt eine Art Maultierpfad in tausenden, holprigen und steilen Serpentinen nach unten, über Hänge voller Mimosen, Scharfgarbe und tiefer wieder Feldern mit allen möglichen Gemüsesorten.

Abstieg

Wenn der Reiseführer davor warnt, den Abstieg mit Knieproblemen zu wagen, so ist das keinesfalls überzogen. Wir hatten bei Beginn der Wanderung keine, am Ende aber schon! Der Weg hat es definitiv in sich und unsere Taximitstreiter, die zunächst auf dem Pico waren, hatten nach der Wanderung ebenfalls Probleme. Auf dem Abstieg selbst lockten so allerhand Versuchungen. So passte uns eine junge Lady mit ihrem Körbchen Kaffee ab.

Kaffee-11

Der Kaffee stammte aus der am Ende des Abstiegs liegenden Plantage und hauseigenen Rösterei. Selbstverständlich erstanden wir eine stattliche Probe der einheimischen Röstkunst. Ein paar Meter tiefer, versuchte uns eine ältere Dame in ihre eigene Schnaps-Brennerei zu manövrieren und ließ erst von uns ab, als wir außer Hörweite waren. Nach Auskunft der beiden Niederländer wurden auch sie von beiden abgepasst, unseren dritten Wanderer hat die ältere Dame dann wohl in ihr Hexenhäuschen gezwungen... Er sprach von „fast nicht mehr entkommen. Total beschwippst ...“

Als wir die Straße nach Vila das Pombas erreichten, war uns längst das Weiterwandern nach Quintal vergangen. Wir stärkten uns in einer Pension namens Sandro mit Cachupa - einem einheimischen Gericht aus Bohnen, Mais und Maniok - glücklicherweise in der angebratenen Version, da ich die Eintöpfe nicht mag - und schnappten uns ein Taxi zum Hotel. Der Aufstieg dorthin war nach den 1000 Metern abwärts fast eine Wohltat. Naja, nicht wirklich ...

Nachdem es nun zwei Tage geregnet hatte und wir die feuchte Kühle satt hatten, ging´s noch schnell zwei Gemälde von einem Künstler Namens Milton Lima im Shop des DivinArt kaufen und dann endlich wieder in die Sonne nach Sao Vicente.

Allerdings erst nach einem letzten Grogue ...

Grogue

Kapverden Teil 2

DivinArt!

DivinArt1
Ribeira-Tal

Am dritten Abend hatten wir uns wirklich eingegroovt. Es war Ostern und klar gab es wieder Musik und Party bis zum Abwinken ... aber eine vorsichtige Frage der Inhaber zeigte, dass sie schon merkten, dass es für Touris schwierig werden könnte, wenn unter ihrem Zimmer und vor dem Balkon der Bär steppt.

Dennoch, wer mehr als nur Hotelbetrieb und Wandern bis der Arzt kommt will, ist hier richtig. Einer kleineren Reisegruppe, die trotz ausgebuchter Pension bleiben wollten, ermöglichten die Inhaber eine Übernachtung der besonderen Art. Es wurden Matten auf Hof und dort befindlicher Bühne (!) ausgelegt und alle schliefen draußen.

Ausflüge von hier haben wir nach Xoxo und nach Fontainhas gemacht. Bis Xoxo gings mit dem Taxi und dann hoch zur Felsnadel und drum herum.

Felsnadel

Die Landschaft ist unglaublich. Vor allem nach den trockenen Tälern von Sao Vicente erscheint einem aus dem Fels sprudelndes Wasser am Wegrand als der Garten Eden. Selbstverständlich verging uns die romantisch blauäugige Naturbeschau auf dem weiteren holprigen Weg nach oben. Prustend hat man einfach nur noch den Blick für die Steine, über die man nach oben stolpert. Nachdem uns drei Esel überholten, überlegten wir zu trampen ... und entschieden, KAPITULATION, Umkehr!

Xoxo

Den Rückweg nahmen wir dann wenigstens kein Taxi oder Aluguer - das hiesige Sammeltaxi - sondern wanderten nach dem Abstieg die nicht mit zu vielen Steigungen verunstaltete und vor allem asphaltierte Straße zurück. Wieder zu Kräften gekommen, entdeckte ich auf der anderen Straßenseite Fässer ... Holzfässer und steinerne Öfen ... Grogue!!!

Faesser

Davon hatten wir bereits vielfach gehört. Der einheimische Zuckerrohrschnaps wird gefühlt an jeder Ecke gebrannt. Also wechselten wir umgehend die Straßenseiten und schlichen uns vom ausgetrockneten Flussbett her an. Nachdem ich Gundels Einwände, es wären doch Stimmen zu hören und ob wir hier überhaupt rumschnüffeln dürften (und das war wörtlich gemeint, denn ich hing bereits mit der Nase prüfend im ersten Fass), zunichte machte und direkt den dösenden Clan-Chef weckte, durften wir testen :-) Gott sei Dank hatten wir kleine, auf unserer Wanderung geleerte Wasserflaschen in der Tasche. Als ordentliche Wanderer haben wir den Müll, den wir in die Berge schleppten, auch wieder mit heraus geschleppt. Das machte sich nun bezahlt. So hatten wir direkt Abfüllflaschen und kauften von dem verkosteten Teufelszeug...

Nach der Verkostung gings leicht beschwippst auf die Straße zurück... Gundel traute dort allerdings ihren Augen nicht. Ein kleiner Junge versuchte einem etwas abgerissen aussehenden Mann eine Krawatte zu binden - und so wie das aussah, konnte Gundel das einfach nicht durchgehen lassen. Es gab eine Einweisung für alle im Windsor-Knoten! Der junge Mann war glücklich, ordentlich zu seinem Termin zu kommen und für Gundel war die Welt wieder in Ordnung.

Schlipps

Und da soll noch mal einer sagen, es gäbe hier nur Machos ...

Macho

Fontainhas erreichten wir mit einem Aluguer bis Ponta do Sol und von dort nach einem ausgiebigen Lunch am Hafen zu Fuß an den Friedhöfen vorbei in ca. 1,5 Stunden. Die enge Straße war zwar einfacher zu laufen, als die anderen Wanderwege, die uns bisher unter die Füße kamen, hatte aber dennoch so einige Steigungen und bot wenig Schatten zum Rasten. Die im Reiseführer versprochene Aussicht aber war es wert.

Fontainhas

Im Ort rasteten wir mit kühlen Getränken, die wir in einem kleinen Hinterhof-Laden erstanden hatten und wurden erst durch ohrenbetäubender, aber vor allem hoffnungslos übersteuerter Dauerbeschallung, den Partyvorbereitungen für den Abend, in die Flucht geschlagen. Praktischerweise startete gerade ein Aluguer in Richtung Ponto do Sol, dass wir sofort in Beschlag nahmen ... auch wenn wir dafür noch ein süffisantes Lächeln von einer deutschen Wanderin und ihrem Mann bekamen, die uns bereits vorher zu verstehen gaben, dass sie Insider waren, sich also quasi besser als die Einheimischen auskannten. Die vollkommen in Outdoor-Funktionskleidung von Jack Wolfskin gekleideten und mit ordentlichen Wanderstöcken ausgerüsten „Insider“ kamen gerade von der 5-stündigen Marathon-Tour aus Cruzinha vom Pass, während wir Unwürdigen hier im Schatten lungerten. Auf uns Turnschuh und normale Klamotte tragende, nicht trainierte, das Landschaftsbild verschandelnde Touris hatten die Herrschaften bereits bei ihrer Ankunft nur mit Abscheu herabgesehen und nun bestätigten wir mit unserer Taxiwahl ihre schrecklichsten Vermutungen.

Bei einem kühlen Strela und dem ersten Soundcheck für den Abend in unserer Pension hatten wir die Begegnung der dritten Art allerdings bereits wieder verdrängt.

Divin-Art

Insgesamt hatten wir im Divin Art großartige Ostertage, mit Tanz (wir mussten leider auch ran - und haben uns zumindest so gut geschlagen, dass der Tanzpartner nicht sofort schreiend weglief), Kunst und familiärer Anbindung. Man wird fast ein wenig wehmütig, diesen zauberhaften Platz verlassen zu müssen, aber wer weiß, was noch auf uns zukommt?

Elf Uhr fünf. Unser vor drei Tagen für 11:00 Uhr bestelltes Taxi hupte. Spinne ich? Was ist jetzt mit der kapverdischen 30-minütigen Anstandsverspätung? Ich hatte nach der Tanznacht noch nicht einmal meinen dringend benötigten dritten Kaffee. Aber es half nichts. Wir verabschiedeten uns herzlich von der Chefin des Hauses samt Tochter, aber nicht ohne ihnen ihre E-Mail-Adressen abzuschwatzen und schon ging´s los Richtung Vila das Pombas und zur für die nächsten Nächte gebuchten Casa das Ilhas im Paul-Tal. Ein kurzer Bank-Stop in Ribeira Grande ließ mich allerdings an Gundel´s und sie selbst auch kurz an ihrem Verstand zweifeln. Während ich mit unserem Taxifahrer den Abholservice für den 06.04. klar machte, sah ich aus dem Augenwinkel, dass in der Bank Seltsames vor sich ging.
Dass Gundel wirklich mit jedem Viech - vor allem Hund - ein langes Gespräch anfangen musste, hatte ich inzwischen begriffen, aber dass sie nun auch noch in den Schlitz eines Geldautomaten sprach, irritierte mich ziemlich. Nachdem sie allerdings mit einem Stapel Scheine zurück kam, muss ich zumindest einmal über diese spezielle Methode des Geldabhebens nachdenken.

Angeblich benötigte der Geldautomat nicht etwa wegen einer gefühlt zu kurzen Leine oder was auch immer Zuspruch. Nein, er meldete sich selbst und zwar eindringlich, als sie versuchte die Karte in den Schlitz des Automaten zu stecken. „Un momento por farvor! Un momento!“ Nachdem sie keine Lautsprecher oder eine Person im Raum wahrnehmen konnte, dämmerte es ihr. Ein Blick in den Schlitz brachte Gewissheit, denn es schaute ein schwarzes Augenpaar zurück! Die Augen gaben ihr zu verstehen, dass sie sich kurz gedulden möge und nach ca. 5 Minuten erschien der Kerl zu den Augen in der Banktür und erklärte, dass das Maschinchen jetzt wieder gehen würde. Reparatur oder ABM bei Stromausfall?

Dienstag, 19. März 2013

Jamaika 2011 The End

7. slow motion in den Blue Mountains

So schön es bei Marc war, wir wollte in die Blue Mountains und die Kaffeefabrik von Mavis Bank sehen. Als Kaffeejünger ist ein Besuch einer Rösterei in den Blue Mountains Pflicht! Also verließen wir ihn, nicht ohne Adresstausch sowie einem ernst gemeinten Wiedersehensversprechen und machten uns auf den Weg.

worlds-end

Zur Straßensituation auf dem Weg dahin muss man nicht mehr viel sagen. Es war nach wie vor eine sportliche Herausforderung. Dann irgend wann passierten wir den Ort World´s End und fanden, dass der Name Programm war, im krassen Gegensatz zum Forres Park Resort & Spa, in dem wir unterkommen wollten. Das fast ausschließlich aus Holz erbaute Hotel befand sich inmitten bizarr schöner Berge und Kaffeeplantagen am Rande des kleines Ortes Mavis Bank. Wie es sich den Namen „& Spa“ verdiente, sollten wir allerdings erst nach erheblicher Überzeugungsarbeit herausfinden. Die nette, aber phlegmatisch wirkende Rezeptionistin zeigte uns ausschließlich die kleineren Zimmer in der unteren Etage. Unsere Nachfrage, wie die Zimmer oben denn wären, beantwortet sie kurz mit: „Die bucht sowieso keiner“. Nach einer weiteren halben Stunde Genörgele durch uns, ließ sie sich dazu drängen, uns doch nach oben zu führen und zeigte widerwillig die sogenannte „Jacuzzi-Suite“. Schon aus Protest buchten wir den wirklich einzigen Spabereich des Hotels - obschon das Zimmer fast romantisch schön war und mit einer tollen Aussicht aufwarten konnte - und erlebten die Damen des Hauses in den nächsten Tagen darüber immer noch fassungslos. Bezugsfertig war die Suite dann aber erst zwei Stunden später, da sich eine offenbar in Trance befindende weitere Angestellte auf den steilen Aufstieg begab um uns den bisher nie vermieteten Raum zu säubern. Gott sei Dank hat sie sich dabei nicht zu viel Mühe gegeben, da wir sonst wohl erst am nächsten Morgen hätten einziehen können. Die Zeit vertrieben wir uns mit einer Besichtigungstour im heimischen Garten. Die Inhaber bauen hier viele Zutaten für ihre Küche bis hin zu eigenen Kaffeesträuchern an.

Die geplante Besichtigungstour am nächsten Morgen in der Jablum-Fabrik verpassten wir fast, weil die sich immer noch in Trance befindende Mitarbeiterin den Frühstückskaffee in einer Art meditativer Zeremonie servierte. Sie brauchte für die 15 Meter vom Küchenausgang bis zu uns 5 Minuten - ich schwöre, denn ich habe mitgestoppt. Während Iwi sich an ihrem frischen Orangensaft festhielt und das Schauspiel beobachtete, tröstete sie mich mit den Worten: „Na wenigstens ist das Zeug dann wieder warm, wenn sie hier ist“. Irgend wann hatte ich dank des Kaffees meinen Blutdruck auf Wachmodus angehoben und wir erwischten tatsächlich noch eine letzte Führung durch die Fabrik mit der großartigen Barbara.

Barbara

Barbara war gefühlte 45 Jahre, klein und rundlich und seit vielen Jahren in der Jablum-Rösterei angestellt. Ihren Angaben zufolge hatte sie die 50 Marke aber bereits weit überschritten. Der Job war ihrer Meinung nach unterbezahlt und dennoch zeigte sie Touristen gern für die geforderten 8 Dollar Eintritt „ihre“ Fabrik.

Kaffee-1

Kaffee

Am Anfang uns beiden Frauen gegenüber noch etwas verhalten, wurde sie zunehmend kribbeliger und aufgeschlossener, als sie merkte, dass wir eigentlich ganz nett waren, wir uns im Fabrikgelände aber auch einer gewissen Maschine näherten. Bereits zwei Hallen vorher berichtete sie von diesem Wunder der Technik, in welches die Bohnen oben reingeschüttet, dann gemahlen unten wieder aus der Maschine raus geschüttelt werden. Das Rausschütteln erfolgte über eine Art breites Formblech mit leichter Neigung nach unten, welches den Rutsch des Pulvers noch durch leichte Rechts- und Links-Bewegungen beschleunigte. Diese Bewegung versetzt Barbara offenbar in Begeisterung, denn jedes mal, wenn sie auf diese Maschine zu sprechen kam, ahmte sie intuitiv die Bewegung des Rüttelbleches mit den Hüften nach und geriet so bei ihren Erzählungen in eine Art souligen Bauchtanz. Nachdem wir dann endlich mit „Shaking-Barbara“ - wir fanden, den Namen hatte sie sich wirklich erarbeitet - vor der sagenumwobenen Maschine standen, zeigten wir uns natürlich ihr zuliebe besonders begeistert. Ich glaube, danach mochte sie uns... Als sie uns am Ende der Führung dann noch hocherfreut über die 5 Dollar Tip verschwörerisch zuflüsterte, dass sie davon ihrem Mann nichts abgeben, sondern das Geld allein in einen guten Drink heute Abend investieren wolle, mochten auch wir sie!

Den letzten Abend in Mavis Bank verbrachten wir mit Familienportionen „Jerk Chicken“ - dem Nationalgericht - vom Straßengrill und Red Stripe, dass wir in allen kleinen Läden zusammenstoppeln mussten, weil jeder Laden nie mehr als ein Bier gekühlt bereit hielt.

8. Abschied in Kingston

Der Weg zurück nach Kingston führte uns noch an mehreren angeblichen Attraktionen des Landes vorbei. Einzig die Bambus-überspannten Straßen waren spannend. Die beschworene mehrfarbige Bucht in Yallahs Pond glich einem giftig gelb-braunen Dreckloch und die Umgebung war ebenso trostlos.

Wir hatten noch drei Tage und wollten diese in einem renommierten Hotel, dem Morgans Harbour, bei Port Royal und in Flughafennähe von Kingston verbringen. Das Hotel befand sich auf der zum Teil aufgeschütteten Halbinsel, die den natürlichen Hafen vor der Hauptstadt begrenzte. Der neue Flughafen war ebenfalls auf dieser Halbinsel integriert, so dass man zwar in Flughafennähe, aber dennoch ziemlich cool mit Blick auf die Hauptstadt aus Meeresperspektive residierte. Das Hotel war Kult, da ein Teil eines Bond Klassikers dort gedreht wurde, aber man war auch ab vom Trubel der Stadt und in extrem kurzer Anfahrt zum Flughafen, was sich später noch als sehr wichtig erwies...

Eingegrooved mit „never lost“ fanden wir die Anlage prompt. Der Portier, der uns Einlass durch das Zufahrtstor gewährte, versprach eine Luxusunterkunft nach Bond-Manier ... aber die Anlage selbst hatte ihre besten Tage lange hinter sich - die Preise allerdings nicht. Die in dem halbrunden zwei-etagigen Hauptgebäude untergebrachten Zimmer waren ziemlich abgerockt, die Küche eine Zumutung und immer wehte ein Hauch von Müll an der Wasserseite des Geländes an uns vorbei... Was wirklich schade und nur pure Nachlässigkeit der Betreiber war. So fand sich im Halbrund des Gebäudes ein kleiner normaler und ein Salzwasserpool. Letzterer war lediglich durch ein paar Gitterstäbe zur Bucht getrennt und war grundsätzlich von Plastikmüll bedeckt. Es grenzte eine kleine Marina an, zu der man über das hoteleigene Restaurant und die Bar kam. Beide endeten ebenfalls an der Wasserkante, mit Blick auf Kingston. also wirklich schön, wenn jemand die PET-Flaschen und Plastiktüten eingesammelt hätte...

Marina

Wir checkten trotzdem ein und genossen den Blick auf die Insel mit leichter Wehmut. Doch Iwi erinnerte sich in einem Anflug von Realitätsnähe an die verschrammte Limousine und entschwand mit einem Eimer Wasser. Dank der meterdicken Staubschicht auf dem Wagen hatte ich das abzusehende Desaster verdrängt. Aber nun holte uns die Angst in Höhe von 1.500 Euro ein ... Das Wasser aus Iwi´s Eimer brachte das Unausweichliche zu Tage und sie starrte fassungslos auf den geschundenen Körper unseres blauen Offroad-Wunders. Erst die Hand von Carlos, dem Portier, auf ihrer Schulter riss sie aus der Schockstarre. Er stand plötzlich hinter ihr und erklärte mit fachmännischem Blick auf das Dilemma: „Ich habe ein Boot und hole mal die Politur“ und entschwand ... Gerade als sie wieder in ihre Starre verfallen wollte, tauchte Carlos mit seinem Equipment auf und begann den Wagen zu polieren. Eine halbe Stunde später glänzte die Karre wie neu und hatte definitiv weniger Schrammen als bei der Übergabe!!! IUnd schon rechnete ich mir die Chancen auf eine Bonuszahlung beim Verleiher aus ... CARLOS!! Der Held, der Wunder vollbringen konnte!!! Diesen heiligen Mann haben wir zu Tode getippt! Nein im Ernst, wir haben ein stattliches Trinkgeld gespendet - nicht einmal ein Bruchteil der Kaution - aber so viel, dass er völlig verzückt unser Schutzengel für die letzten Tage wurde.

Wir wollten auf die „Badeinsel“ Lime Cay. Das Hotel erklärte, dass erst morgen wieder Boote gehen und Carlos organisierte innerhalb einer halben Stunde einen Lift dort hin und zurück. Der Lift zurück war nach Ankunft auf der Insel irgend wie nicht mehr so ganz klar, denn die Herrschaften mit dem Boot verschwanden. Kurzerhand knüpfte Iwi intensive Kontakte zu anderen Touristen, um uns in deren Boot zurück an Land zu schleusen! Denn baden auf der „Badeinsel“ war irgend wir für keinen der anwesenden Touristen aufgrund der Gegebenheiten ein Option.

Lime-Cay

Nach der Nummer würde mich bis heute interessieren, ob der baggernde jamaikanische Neureiche, den Iwi für den Rücktransport auserkoren hatte, tatsächlich auf der preisgegebenen deutschen Mobilnummer die Kontaktaufnahme versuchte... es war die Nummer ihres gerade von ihr geschiedenen Exmannes :-) Letztlich tauchte der Rückfahrlift jamaikanisch pünktlich - eine Stunde Verspätung - auf und wir benötigten die Hilfe der anderen Herrschaften nicht mehr.

Am nächsten Tag empfahl Carlos einen Ausflug in nahe liegende Höhlen mit historischen Felszeichnungen der Ureinwohner, da es regnete??!!! Bei Ankunft war die Höhle trotz offizieller Besichtigungszeit erst einmal geschlossen. Wie uns die penetrant herausgeklingelte Mitarbeiterin später erläuterte, weil es regnete ...(?) Von uns und vier weiteren Ausflüglern überzeugt, gewährte man uns trotz der wetterbedingten Widrigkeiten Einlass, versah uns zunächst mit einem Haarnetz und dann noch mit einem modischen Helm. So ausgestattet starteten wir die Tour in den jamaikanischen Hades. Von der ersten Sekunde des geführten Rundgangs an, erläuterte uns die nette Mitarbeiterin, wie gefährlich es hier sei, dass man froh sein könne, Erdbeben zu überleben, die nach ihrer Meinung in den nächsten Sekunden Lawinen von Gesteinsbrocken über uns regnen lassen würden und dass sie ob des fürchterlich gefährlichen Jobs total unterbezahlt sei.

Grotte

Eine kurzes Intermezzo zu den Horrorszenarien gewährte sie im Anblick der unglaublichen Felszeichnungen. Ihren Angaben zufolge - und zugegebener Maßen auch der des zu Rate gezogenen Reisejournals - stritten die Wissenschaftler nach wie vor über das Alter der Zeichnungen, die Bedeutung und die Urheber ... Für unsere ungeübten ignoranten Touristenaugen hatte man sogar einen Holzrahmen über dem mystischen Gemälde angebracht ... und meiner Meinung nach auch die Strichführung nach jedem Regen nachgezogen ... Möchte wissen, welche Bedeutung den elenden TAG-Schmierereien an den S- und U-Bahnen durch Archäologen in hundert Jahren zugeschrieben werden.

Bild

Zurück im Morgans Harbour erinnerte ich mich an zwei Jet-Ski, die ich an der Marina gesehen hatte und zog Carlos zu Rate: „Kennst du die Eigentümer der Jet-Ski?“ Carlos trocken: „Nein, ...... aber den, der die Schlüssel hat!“ Und schon hatten wir zwei leere Kanister im Kofferraum, denn der Deal war, wir beschaffen Treibstoff, geben eine kleine Spende an den Hüter der Schlüssel und er richtet eines der Geräte her. Gesagt getan. Wir fuhren tanken, Carlos übernahm die Kanister, bereitete ein Maschinchen vor und wir machten den Hafen unsicher.

An unserem letzten Abend beendeten wir, was wir am Abend zuvor begonnen hatten: wir quälten die Bedienungen mit unserem Reggae - es lebe das Smartphone - und soffen die Bar endgültig leer. Eine der Kassiererinnen hatte am Vorabend Mut gefasst und mit unserer Hilfe ein kleines Wörterbuch: Patois - Deutsch erstellt. Selbstverständlich war nicht alles stubenrein und die Aussprache musste am nächsten Tag intensiv vertieft werden.

Morgans

Eigentlich sollte die Bar gegen 23:00 schließen, doch alle feierten mit uns bis ... „Ina! Wir müssen!“ ... „Was? Wie spät ist es?“ ... „Vier. Unser Flieger geht in 1,5 Stunden und das Taxi ist in 15 Minuten am Hotel“ ... Ach herje ... und wir hatten noch nicht einmal gepackt...

Zu Bewusstsein kam ich in New York. Meine irritierte Frage, wie wir denn in den Flieger gekommen sind, beantwortete Iwi mit: „samt allem Gepäck und pünktlich!“ Respekt!!!!

Sonntag, 17. März 2013

Jamaika 2011 Teil 3

5. Mocking Bird Hill

Wir hatten uns inzwischen mit der Zicke „never lost“ auf einen Waffenstillstand geeinigt, was hieß, wir fuhren grundsätzlich nach ihren Anweisungen, aber mit gelegentlichen Korrekturen Dank der Karte. Das funktionierte super. Wirtschafts- oder Waldwege haben wir ab diesem Zeitpunkt nur noch von weitem gesehen. Die Fahrt nach Mo-Bay war toll. Schöne Landschaften, niedliche Dörfchen, Früchtestände am Straßenrand für einen Stop, aber ab Mo-Bay nur noch Beton und nichts, was an eine hübsche karibische Insel erinnerte. Wir sahen zu, dass wir weiter kamen.

Ab Ocho Rios wurde zwar die Landschaft wieder schöner, aber so richtig heimelig wars auch nicht. Das wurde es erst wieder weiter Richtung Osten. Unsere Mammut-Tour bescherte wieder eine Nachtfahrt und dieses mal eine improvisierte Übernachtung bei Port Antonio. Unser Smartphone zeigte ein paar Empfehlungen, die wir nicht fanden oder einfach nicht interessiert genug suchten. Also folgten wir einer Tafel, auf der Mocking Bird Hill stand. Das Mobile verhieß eine luxuriöse und ökologisch geführte Unterkunft mit internationaler Küche. Auf gings! Wir folgten im Dunkeln dem Wegweiser auf einen Hügel. Und da waren sie wieder, die unsäglichen Schlaglochpisten! Meine Güte! Das nächste Mal mit einem Jeep. Aber inzwischen waren wir beide geübt, unsere Limo durch alle Krater zu manövrieren. Ja, wir fuhren eine Limosine! Wir hatten ein unerwartetes Upgrate erhalten für den eigentlich völlig ungeeigneten Wagen, aber wir fanden das Ding super.

Am Hotel angekommen, sah es vom Parkplatz zunächst relativ unspektakulär aus, doch die Inhaberinnen , mit internationaler Kocherfahrung und Teilstudium in Bonn, überredeten uns umgehend zu einer Hausinspektion und das Zimmer war gebucht. Wieder keine ganz preiswerte Angelegenheit, aber daran hatten wir uns hier schon fast gewöhnt. Aber das Anwesen war den Preis wert! Wir hatten ein traumhaftes Zimmer. Groß, wunderschön eingerichtet, nach vorn offen und nur mit Holzlamellen in den Fenstern versehen, die je nach Winkel Luft und Sonne herein ließen oder eben nicht.

Mocking-Bird

Man hatte das Gefühl, quasi draußen zu schlafen. Moskitonetze über dem Himmelbett machten es auch wirklich angenehm, denn da hüpfte schon mal ein kleiner Frosch und wer weiß was noch durchs Zimmer. Vor der Fensterfront eröffnete sich der Blick auf den mit großen Windlichtern beleuchteten Pool und den dahinter liegenden verwunschenen Garten. Die im Restaurantbereich angebotene Speisekarte ist nicht sehr lang, dafür sind die Gerichte absolut exquisit und frisch.

gut-bewacht

Auf weiteren Etagen fanden wir eine Bar und eine kleine Terrasse auf dem Dach mit Blick auf das Meer über die bewaldeten Hügel. Geschlafen haben wir so gut wie nie und geweckt wurden wir von Geräuschen, die wir sonst nur aus den Urwäldern dieser Welt kannten. Unverschämt schön!

6. Marc

Dennoch zog es uns am nächsten Tag aus der luxuriösen Abgeschiedenheit zur Long Bay - auch wenn das Hotel mit diversen interessanten Ausflügen warb. Und wieder fanden wir die im Internet erwähnten und von Mitstreitern geprüften Pensionen nicht. Nach der dritten Runde am Strand von Long Bay und Standing Ovations der dort sitzenden Einheimischen, die sich womöglich in einem Flashback wähnten, entschieden wir uns der bewährten Methode eine weitere Chance zu geben und folgten einem Schild mit der Aufschrift „Pimento Lodge“. Das klang vielversprechend und schon waren wir wieder auf einem holprigen Berg mit nur zu erahnendem Schotterweg unterwegs. Irgend wie hatte das System... Als das Schild uns dann noch über eine mit riesigen Steinen gespickte Rasenfläche nach links dirigierte, wollte ich streiken - immerhin saß ich am Steuer (Übrigens von der örtlichen Polizei in einer Kontrolle auch trotz fehlendem internationalen Führerschein unbehelligt!). Aber Iwi zeigte auf das schon zu erkennende große Eingangstor und war trotz meines Einwandes, es sei doch ein Bauzaun, unerbittlich. Blöde Beifahrer!

Und dann standen wir vor dem BAUZAUN, der mit einer Kette zugeknotet war. Doch Iwi war im Entdeckermodus: „Da hinten sind Leute. Ich höre doch Stimmen und Baugeräusche...“ „Baugeräusche?“ kreischte ich fast ... was wollen wir auf ner Baustelle?“ Doch Madam war längst aus dem Wagen, machte sich an der Kette zu schaffen und öffnete das Tor. Auch mein letztes Argument „Was ist, wenn die hier Hunde haben?“ prallte an ihr ab und ich musste mit auf den Bau.

Piemento

Nach den ersten vorsichtigen Schritten in das weitläufige Areal eröffnete sich der Blick auf vier bis fünf 2-etagige Häuser, die in den Fels gebaut waren. Sie waren mit Treppen verbunden, da sie alle auf unterschiedlicher Höhe standen. Jede der Etagen war ein Gästezimmer ... oder wohl eher Suite - mit riesigem Balkon. Einzig der Pool und die davor befindliche Bar waren noch im Bau, boten aber einen ganz netten Blick aufs Meer. Die Anlage war bildschön, sehr neu und gepflegt. Und Iwi behielt Recht. Wir trafen auf den Eigentümer, der selbst am Pool werkelte. Er stellte sich als Marc vor und ... er sprach perfekt deutsch!!! Marc war irgend was weit über 50, quietschfedel und hatte mehr als ein Jahrzehnt in Deutschland als Ingenieur gearbeitet. Von dem Ersparten hatte er sich diese traumhafte Anlage gebaut, das Meiste sogar in Eigen-leistung. Wir waren stark beeindruckt, denn die Suiten ließen keinen Wunsch offen - Kühlschrank, Fernseher (Ich werde nie verstehen, was Leute mit nem Fernseher im Urlaub wollen. Ich persönlich habe in anderen Ländern vor der Tür das beste Programm.), Sitzecke, riesiges Bett, Moskitonetze etc. Wir buchten und Iwi, die alte Krämerseele verzichtete für einen Rabatt auf die Frühstücksoption, überzeugte Marc dann aber, dass mindestens ein morgendlicher Kaffee inklusive sein muss! Wir waren die einzigen Gäste und so bekamen wir zusätzlich Dauerbetreuung.

Am nächsten Morgen erzählte Marc von seinen tollen Kochkünsten ... Gäste, könnten auch Vollpension buchen und wären immer zufrieden gewesen ... Aber die Sache entwickelte sich anders, als er dachte. Im Laufe des Gespräches wurde die Atmosphäre irgend wie familiär. Dann war klar, einheimische Küche wollen wir auch und zwar bei ihm. Also schrieb er uns einen Einkaufszettel und wir versprachen jede Zutat zu besorgen, wenn er mit uns Abends jamaikanisch kocht.

Blaue-Lagune

Mit dem Zettel fuhren wir dann, nach einem kurzen Abstecher in die für meinen Geschmack mehr als langweilige Blaue Lagune, auf den Markt von Port Antonio. Über den waren wir bereits am Vortag gegeistert und erfreuten die Marktladies. Dass wir von der Hälfte der Zutaten auf der Liste noch nichts gehört hatten, fanden die ziemlich lustig, behielten uns dann aber im Auge, bis wir alles zusammen hatte. Sehr süß und hilfsbereit!

Markt

Obwohl nicht alle nett waren: Iwi probte den Aufstand, als uns ein Typ anzählte und nicht aufhörte zu beschimpfen. Angeblich hätten wir ihn an seinem Stand nicht besucht, obwohl er uns gestern doch eingeladen hätte. Der Typ pöbelte sich so hoch, dass er mehrfach laut über den Markt „fuck you!“ schrie und Iwi trocken antwortete „Fuck yourselfe“ ... Nach der Antwort brach ein junges Mädel fast vor Lachen zusammen und wir hatten viele neue Freunde...

Zurück bei Marc enterten wir seine Küche. Wir fungierten bei den Vorbereitungen als Schnippelkräfte und seine Kochkünste waren, wie versprochen, exzellent. Wir waren drei Nächte dort und sind mit Marc noch auf einer der typischen Straßenparties unten am Strand gelandet. Die finden vor irgend einer Bretterbude statt, in der man Getränke ordern kann, ein findiger Autobesitzer fährt vor und dann werden zwei bis drei riesige Boxen auf das Autodach geschnallt, an die Batterie der Kiste angeschlossen und schon geht die Party ab. Einer der Gäste fragte uns, als wir einfielen: „Ihr seid mit Marc hier, oder?“ und als wir bejahten, nervte definitiv keiner ... Tanzen und Trinken mit Marc, unserem Schutzengel.

Allerdings nervte ich am letzten Strandtag. Es gab einen Strandimbiss, in dem wir öfter waren ... Nichts dolles aber die Leute waren ganz nett. Insbesondere die Bedienungen. So gab mir eine der Ladies mal einen Hunderter mit der Ermahnung zurück, besser aufzupassen. Die Hunderter sähen aus, wie die Zehner und den hätte ich nur zahlen müssen. Ich war beschämt ob meiner blöden Vorurteile!

Containerbar

Die meisten Bars waren zum Teil aus diesen Standard-Cargo-Containern gebaut. Da wurden dann nur ein oder zwei Fensterlöcher reingeschnitten und schon war der Imbiss oder die Bar fertig. Und auch dort am Strand war so ein Ding in den Bau integriert. Allerdings hatte sich darauf ein Künstler mit einem Marley Portrait verewigt und seine Telefonnummer hinterlassen. Ich bin passionierte Gemälde-Sammlerin. Dabei entscheidet aber nur mein Verständnis von schön, so dass einige der bisher erstandenen Gemälde wohl dem Anspruch eines „Kenners“ nicht genügen würden. Doch für mich sind die Bilder aus meinen Reiseländern immer mit einer Geschichte verbunden, die sich meist aus der Jagd nach ihnen ergibt, womit sie einen hohen ideellen Wert für mich bekommen. Und ich brauchte selbstverständlich ein Gemälde aus Jamaika. Iwi kannte mich schon so lange, dass sie wusste, ich verlasse die Insel nicht ohne! Also telefonierte die Bedienung dem Künstler hinterher. Der war aber irgend wo verhindert. Angeblich in einer Auftragsarbeit ... Vielleicht auch stoned auf irgend einer Terrasse, aber sie erklärte, dass sie einen anderen Maler kennen würde. Der wurde angefordert und erschien auch tatsächlich mit ein paar Rollen am Strand. Ich wurde fündig und alle waren glücklich.

Jamaika 2011 Teil 2

3. Abfahrt zum Jake`s

Nachdem wir uns erst einmal im absoluten Luxus des Strawberry Hills mit Überlaufpool, aus dem man ebenfalls einen passablen Blick auf Kingston und das Meer genießen konnte, akklimatisiert hatten, wagten wir das Abenteuer Mietwagen. Doch als der Mensch des Verleihers 1.500 Euro Kaution abrief und mit uns jede und wirklich jede Schramme zählte, wurde mir langsam Angst.
Auch zum Thema Mietwagen gab es unzählige Reisewarnungen. Angefangen mit: überhaupt nicht auf eigene Faust zu reisen, schon gar nicht mit dem Wagen, wegen der Straßenverhältnisse, der Kriminalität, des Linksverkehrs und diverser anderer Horrorszenarien. Sollte man dann schon entgegen aller Warnungen trotzdem ein Fahrzeug mieten, dürfte man auf gar keinen Fall von den Hauptstraßen abweichen, um Gottes Willen nicht bei Nacht fahren und alle möglichen Versicherungen abschließen. All das im Hinterkopf mieteten wir noch ein einheimisches Navigationsgerät mit dem bezeichnenden Namen “never lost“, obwohl ich wie immer mit allen möglichen Karten ausgerüstet war. Dafür war dann eine weitere Kaution fällig und mir kam der Gedanke, dass eine Taxirundfahrt durchaus preiswerter wäre, wenn auch nur irgend eine Schramme hinzukäme oder „never lost“ verloren ginge ...

Da nur Iwi den internationalen Führerschein vorweisen konnte, der angeblich Voraussetzung für das Fahren auf Jamaika war, startete sie als erste Fahrerin in Richtung Treasure Beach an der westlichen Südküste. Wir hatten gelesen, dass das Jakes eine schöne Bungalowanlage an super Stränden sei.

Die erste Hürde, die wir meistern mussten, hieß „never lost“. Selbsterklärend war dem Ding jedenfalls fremd. Kurz vor dem Nervenzusammenbruch stehend, hatten wir die Navi dann doch noch bezwungen und programmiert. Doch das blöde Ding rächte sich umgehend und führte uns bereits kurz nach Spanish Town von der Autobahn auf die Landstraße. Gut, man sollte zwar die Hauptstraßen nicht verlassen, aber so sahen wir halt auch was von den Ortschaften, die wir passierten und wie eine Hauptstraße sah es noch irgend wie aus. Aber wir hatten die Rechnung nicht mit „never lost“ gemacht. Hinter der nächsten größeren Ortschaft gings ab auf Seitenstraßen. Nachdem dann der Asphalt aufhörte, wurde uns doch mulmig. Nicht dass die Straßen vorher durchgehend asphaltiert waren - vielleicht einmal vor 50 Jahren - aber jetzt gab es nur noch Schotterpiste und wir beide sahen unsere Kaution wie die kleinen Schottersteinchen davon fliegen ... Und dann wurde die Schotter-piste zu einem buckligen Ackerweg mit tiefen Regenfurchen und Löchern, gesäumt von Gebüsch.

Offroad

Teilweise waren es nur noch zwei Spuren durchs Gebüsch. Das letzte Haus hatten wir vor Kilometern hinter uns gelassen, doch „never lost“ zeigt unbeirrt weiter den Weg in die Prärie. Ich versuchte inzwischen mit der Karte herauszufinden, wo wir überhaupt waren, als Iwi abrupt stehen blieb und an der nächsten Kreuzung verweigerte. Vor uns lag ein abschüssiger Dreckstreifen, der die Straße sein sollte und so mit Löchern übersät war, dass auch ich davon überzeugt war, dass wir unser Auto da nie durchbekommen. Und ich habe in meiner Vergangenheit schon so einige Buckelpisten überstanden.
Also probten wir den Aufstand gegen „never lost“ und fuhren geradeaus, statt wie befohlen rechts abzubiegen. An jeder Kreuzung - äh, wohl eher Abzweigung auf andere Wald- und Ackerwege - versuchte das Biest uns zurück auf den unpassierbaren Pfad zu bringen, doch wir fuhren nach Gefühl weiter geradeaus. Wir hatten inzwischen einen ungefähren Verdacht, dank der Karte, wo wir waren und folgten einer dicken Pipeline am Rande des Weges. Denn Pipeline bedeutet Industrie und damit auch Anfahrtswege... Wir hatten uns nicht getäuscht, der Weg war inzwischen sogar teilweise mit Flecken von Beton befestigt, die wir aber aufgrund der dicken Löcher darin zu umschiffen versuchten. Und dann gab es tatsächlich das erste Schild nach einer gefühlten Ewigkeit. Beim Näherkommen lasen wir: „Bump“... Gut, Löcher gab es hier viele, aber eines mit Ansage? Wir wurden vorsichtig und tatsächlich handelte es sich um eine so unmögliche Auswaschung, dass wir diese nur schräg ein- und ausfahrend meistern konnten, ohne aufzusetzen. Dadurch landeten wir allerdings im Gebüsch am Wegesrand, was uns die ersten Schrammen bescherte. Bump´s kamen nämlich noch einige. Und dann wurde es auch noch dunkel...

Iwi war nach der langen Fahrt und den Strapazen völlig durch, klammerte sich aber eisern am Lenkrad fest und wollte nicht tauschen. Also navigierte ich mit und gegen „never lost“ weiter und so gegen 22:00 Uhr standen wir tatsächlich vorm Jake´s!

4. Treasure Beach

Dann die schlechte Nachricht: Es gab erst übermorgen wieder Zimmer! Nach kurzer Fassungslosigkeit sahen wir weitere Hotels neben dem Jake´s. Das nächste hatte dann Gott sei Dank Zimmer, warnte uns aber vor morgigem Lärm bis in die Nacht, da man eine Hochzeitsgesellschaft erwarten würde.
Großartig! Eine jamaikanische Hochzeit mit Reggae und Tanz bis in die Nacht? Das wollten wir sehen und buchten ein Zimmer in der oberen Etage. Die hatte eine Art Gemeinschaftsterrasse, so dass man auf den Pool- und morgigen Party-Bereich schauen konnte. Das Zimmer war muffig und das Hotel nicht wirklich Klasse, aber egal, wir wollten die Feier.

Am nächsten Tag vertrieben wir uns die Zeit mit einem kurzen Strandcheck und einem Ausflug nach Alligator Pond. Die Ortschaft war ziemlich verschlafen und wenig beeindruckend. Man hätte zwar Ausflüge auf dem Fluss zu Krokodilen buchen können, doch uns war nach Hochzeit. Also fuhren wir zurück und inspizierten interessiert die Vorbereitungen. Der Pool war inzwischen mit riesigen Boxen, langen Tischen und Bänken gesäumt und die ersten Gäste kamen. Wir verdrückten uns auf die Terrasse, mussten aber enttäuscht feststellen, dass der offensichtlich beauftragte Wedding Planner es schaffte, jede aufkeimende Stimmung im Ansatz zu ersticken. So wie auch nur mehr als einer der Gäste anfing, sich im Takt der Musik zu bewegen, traktierte sie die Gäste und das Hochzeitspaar mit den unmöglichsten Bräuchen, Spielen und Treue-Testfragen. Eine langweiligere Veranstaltung habe ich noch nie gesehen. Da half nur eins, wir plünderten die Biervorräte des Hotels und gingen früh schlafen.

Einzug im Jake´s! Endlich bekamen wir ein Zimmer in einem schönen Bungalow mit Blick aufs Meer. Meine explizite Nachfrage, ob der Blick aufs Meer auch einer sei, wurde mit Unverständnis honoriert. Doch die Frage war nicht unberechtigt. Im Nachbarhotel bot man uns ein Zimmer mit Meerblick, bei dem man den Hals aus einem Seitenfenster heraus verrenken musste, um überhaupt Meer sehen zu können. Doch das Jake´s war klasse. Wir hatten sogar eine kleine Terrasse für uns mit zwei Liegen und Blick aufs Wasser. Es gab einen kleinen Restaurant- und Barbereich, etliche Freizeitangebote bis hin zum Mountainbiken ... alles in allem sehr schön!

Treasure-Beach

Hinter dem abgezäunten Bereich der Anlage des Jake´s lag eine kleine süße Bucht mit ein paar Booten und einer Strandbar nach meinem Geschmack!

Beach-Bar

Sie sah aus, wie aus Treibholz zusammengezimmert, schilfgedeckt und Anlaufpunkt von ein paar Einheimischen und Touristen gleichermaßen. Viele Touristen gab es allerdings nicht, so dass es ein hübscher entspannter Mix aus netten Leuten war.

Es gab noch zwei kleinere Hotels mit Bar am Strand, doch die Holzhütte bot alles, was man brauchte. Hier hingen wir entspannt ab und buchten auch direkt bei einem der anwesenden Piraten eine Bootstour für den nächsten Tag. Wir hatten von einer weiteren Treibholzbar gelesen, der sagenumwobenen Pelikan-Bar, die mitten im Meer liegen sollte.

.......

Achja, mal so als Einschub: Jamaika ist übrigens auch ein hübsches Plätzchen für Leute die kaum englisch sprechen. Gefühlt jeder Dritte Jamaikaner spricht deutsch!! Das mussten wir am Abend in der Bar vom Jake´s erschreckt feststellen. Also Vorsicht Lästerbacken!! Nachdem wir uns bei der Anfahrt zum Jake´s bereits sämtlichen Verhaltensanweisungen widersetzt hatten, mussten nun auch noch ein paar Vorurteile über Bord. Angebaggert wurde wir hier weniger als in Deutschland. Und wenn, war es eher lustig. So taumelte in Jake´s Bar ein älterer Angestellter - der betrunken in der Bar schlief - nach jedem kurzen Aufwachen auf die blonde Iwi zu und röhrte mit tiefem Bass: „I´m in a daaancing mood!“ während Madam davon stürmte und er verdutzt versuchte sein Opfer auszumachen, darüber aber wieder einschlief. Auch Drogen hat man uns nirgends angeboten. Tatsächlich haben so einige Einheimische neben uns alles mögliche geraucht. Aber auf unsere Nachfrage, was es denn mit dem Klischee so auf sich habe, erläuterte man uns, wir würden nicht so aussehen, als wollten wir was. Die haben uns allen ernstes in der Strandbar gefragt, ob es uns stört, wenn sie neben uns einen Rauchen! Also alles wie immer: Auf das Auftreten kommt es an. Die Herrschaften dort haben Manieren, wie viele anderen Menschen auch auf der Erde und Ausnahmen und Verrückte gibt es auch in Deutschland. Amen.

.......

Am nächsten Morgen waren wir jedenfalls pünktlich am Strand und wurden in einem Fischerboot mit weiteren vier Touri´s verstaut, die der Pirat irgend wo aufgegriffen hatte. Dann gings los. Gott sei Dank hatten die Jungs einen ziemlich kräftigen Motor und wir stürmten derart aggressiv über die Wellen, dass mir vor Angst nicht mal mehr schlecht wurde. Ich werde super schnell seekrank und das selbst in einem gelben Gummiboot auf der spiegelglatten Ostsee, wie ein Freund feststellen musste. Wie damals zurück schwimmen ging hier eher schlecht, daher zog ich die aggressive Fahrweise einer Dümpeltour vor. Begleitet von Delfinen erreichten wir die Bar, die tatsächlich auf einem kleinen Riff vor der Küste erbaut war, in ca. 50 Minuten.

Pelikan-Bar

Das runde moderige Gerippe war ebenfalls schilfgedeckt und war bereits mit Touristen und zahlreichen anderen Kuriositäten vollgestopft. Die Bar war ziemlich frequentiert und bot neben geschnitzten und gestrickten Mitbringseln auch minimale warme Küche. Wollte man vor Ort essen, wurde der Fisch bereits vom Boot auf dem Weg zur Bar bestellt. Bei Ankunft wartete der dann fertig zubereitet in der Bar. Da ich allerdings wenig Lust auf gekochten Fisch und rumsitzen mit anderen Touristen hatte, verbrachte ich fast die gesamte Zeit außerhalb der Bar auf dem Steg. Das Wetter war prima und im kristallklaren Wasser zeigte sich alles mögliche Getier, bis hin zu einem ganz passablen Rochen.

Pelikan-Bar-1

Alles in allem war der Bootsausflug so cool, dass wir am nächsten Tag noch mal auf Delfin-Sightseeing gehen wollten. Unsere Anfrage beantwortete der Pirat vom Vortag mit: „wenn ihr keinen Gummi-Delfin auf die Tour mitbringt, sehen wir keine!“ So! Da verrauchte das letzte Klischee, an dass ich mich noch geklammert hatte. Nicht mal übers Ohr wollten uns die Jungs hauen! Was ist bloß aus den alten Piratenkodizes geworden?

Also fuhren wir zu Lovers Leap, einer hohen Klippe mit einer dramatischen Liebeslegende. Es war ein hübscher Ausflug, nur der Leuchtturm war wegen Baumaßnahmen geschlossen. Also entspannten wir den Rest des Tages an unserem Strand. Morgen sollte es nach Norden in Richtung Mo-Bay gehen und dann von dort direkt nach Ocho Rios. Wir wollten nicht wirklich nach Negril und Mo-Bay, da man in den Touristenzentren wenig vom wirklichen Leben mitbekommt und wahrscheinlich die Klischees wieder aufbaut, also fragten wir nach einer hübschen Empfehlung für Ochi im Jake´s. Die Bedienung des Restaurants winkte ab und erklärte, dass morgen ca. 5.000 Kreuzfahrttouristen über Ochi herfallen würden, weil man Luxusliner XY erwarten würde und so disponierten wir um. Um so viel wie möglich von der Insel zu sehen, fuhren wir zunächst wie geplant nach Nord-Westen, eben die Route Richtung Mo-Bay und dann an der Nordküste nach Osten an Ochi vorbei und weiter ... bis vielleicht zur Blauen Lagune.

Jamaika 2011

1. Kingston

„Wolln wir tauschen?“ fragte ich Iwi, als wir nach bereits fast 20 Stunden Flug von Hamburg und mehr als 5 Stunden Aufenthalt in Miami in den Flieger kamen. Wir hatten zu lange am Ocean Drive gesessen und so nur noch Einzelplätze zwischen anderen Passagieren für den Flug von Miami nach Kingston erhalten. Auf mich wartete ein Mittelplatz zwischen einem ca. 2 Meter großen und ziemlich stämmigem jamaikanischen Farmer und einem amerikanischen Inspektor mit HSV-Baseball Cap.

Doch die kleine Kröte grinste und steuerte auf ihren Platz neben einem dürren amerikanischen Jüngling zu.

Ich ergab mich in mein Schicksal, atmete so tief wie möglich aus und quetschte mich zwischen die Herren. Während ich der Evolution zur sprunghaften Weiterentwicklung verhelfen wollte und auf Hautatmung machte, stellten sich die Herrschaften als ziemlich unterhaltsam heraus. Der Inspektor war häufiger in Hamburg, da er für den Germanischen Lloyd die Sicherheitstechnik an Bord von Containerschiffen überprüfte. Daher auch das fragwürdige Andenken auf seinem Kopf. Vom Farmer auf Fußball angesprochen, meinte er, er würde seinem Job gemäß nicht mehr spielen, sondern nur noch inspizieren. Ich verzieh ihm den Fauxpas in Sachen HSV. Allerdings nicht, ohne ihn noch einem kurzen Fan-Crashkurs zu St. Pauli zu unterziehen.

Nach über einer Stunde im Flieger bekamen wir endlich die Starterlaubnis, während ich mich bereits mit den beiden mehr als verbunden fühlte - und das eigentlich auch in physischer Sicht, die ich hier nicht weiter erläutern will. Nur soviel, bei der Hitze und der Enge befürchtete ich, sie müssen uns nach der Landung aus den Sitzen schneiden und die siamesischen Drillinge in einer mehrstündigen OP trennen.

Doch als ich mich irgend wie aus dem Sitz befreit hatte und Iwi sah, wusste ich, das Leben ist doch gerecht! Ihr hämischer Blick zu meinen anfänglichen Sitztausch-Avancen wurde mit einem missionierenden Sitznachbarn belohnt. Das blasse Bürschchen hatte das bayrische Girl während der gesamten Zeit davon überzeugen wollen, dass ausschließlich seine Interpretation des christlichen Glaubens von Belang sei und unbedingt in die Welt getragen werden müsste, auch wenn er bisher nichts als sein kleines amerikanisches Dorf gesehen hatte. Diese Ungewissheit und möglichen Strapazen seien eine Prüfung des Herrn, die er gern in Kauf nehmen würde ...

Offenkundig wurde der Kerl wirklich von einer höheren Macht beschützt. Hätte Iwi die Plätze getauscht und ich hätte die missionarischen Gehversuche des irren Provinzlers ertragen müssen, währe seine unversehrte Ankunft am Ziel nicht wirklich sicher gewesen.

2. Strawberry Hills

Endlich angekommen griffen wir das erst beste Taxi und fuhren zum bereits für zwei Nächte gebuchten Strawberry Hills, dem ehemaligen Geschäftssitz des legendären Labels Island Records, bei dem auch Marley unter Vertrag war. Die Nummer sprengte zwar bereits am Anfang der Reise das geplante Budget, aber hallo?! Island Records, Marley .... Das war Kulturrecherche und Bildung kostet nun mal!

Die Serpentinen hoch in die Berge bekam Iwi allerdings nur im Traum mit. Sie schlief fest und ich glaubte zu träumen, als wir über die Schlaglochpiste an steilen ungesicherten Abhängen vorbei holperten und unser Fahrer das alles mit einem Tempo meisterte, das vermuten ließ, dass er tief religiös war und seinem Schutzengel häufig huldigte... Aber man hatte uns ausführlich bezüglich der Fahrbahnverhältnisse gewarnt. Wie die Zustandsbeschreibungen der Straßen hielt das Hotel seine Versprechungen, allerdings in sehr angenehmer Weise. Ich war über unseren kleinen Bungalow völlig hingerissen.

Bungalow

Er hing quasi am Hang und bot von seinem Balkon eine grandiose Aussicht auf Kingston. Das wollte ich mit einem Red Stripe genießen. Allerdings hatte ich die Rechnung ohne Patois gemacht. Mit Dialekten habe ich schon in Deutschland so meine Schwierigkeiten und nun sollte meine Bierbestellung an „Jaaa maaaan“ scheitern. „IWI!!!!!!!!!“ Das einzige was ich verstand, war, dass die Bar angeblich zu hätte und so blieb mir nur die Geheimwaffe: Wir schlugen mit bayrischem Englisch zurück!

„Sie bringen dir dein Bier her!“ ... „Was? Das wars, was sie mir die ganze Zeit erzählen wollten?!“ „Ja“ ... Hmmm, egal, Hauptsache ich bekam mein Bier.

„Sag mal, ist dein Bett auch gewärmt?“ Iwi setzte zum Sprung an - jamaikanische Betten sind äußerst hochbeinig - und erklärte locker: „Jup!“ Es gab eine mit Timer gesteuerte Bettheizung! Absolut sinnvoll bei der für Jamaikaner unsäglichen nächtlichen Kälte von nur ca. 21 - 22 Grad hier in den Blue Montains ...

Strawberry-1

Strawberry-Hills

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