Sonntag, 7. April 2013

Kapverden Teil 3

Ankunft 20 Minuten später am Cargo-Container, dem Treffpunkt vor dem Aufstieg zur Casa das Ilhas. Unsere vom Hotel gesandten Kofferträger warteten schon: eine ältere Dame, die auf einem zum Kranz gerollten Handtuch Gundels Koffer auf dem Kopf balancierte und ihr über und über mit Muskeln bepackter Sohn, der sich über meine Habe her machte. Die beiden schleppten das Zeug mit einer Grazie und selbstverständlich leichtfüßig einen mörderischen Weg den Hang hoch. Wir stoppten zwischendurch dreimal und waren völlig erledigt. Gott, war das deprimierend. Nur unser Stolz verhinderte eine Ankunft auf allen Vieren.

Endlich oben empfing uns die Hausherrin und wies uns in die Anlage ein. Das Hotel besteht aus mehreren kleine Häuschen mit Zimmern verschiedener Größe. Bei den meisten teilt man sich mit dem Nachbarn das Bad, inklusive einem großen Haustier der Spezies haarige Spinne.

Tekla

Wir hatten ein innenliegendes Bad gebucht und damit wohl das größte Zimmer erwischt. Es war mit 5 Betten ausgestattet, getrennt durch Vorhänge. Hatte ein wenig Jugendherbergsflair. Auch die Art, mit der man uns erläuterte, Kerzen wären im Zimmer nicht erlaubt - Taschenlampe sollte also jeder Reisende dabei haben, denn Stromausfälle gibt es hier recht häufig - und die Info, man müsse gegen sieben zum Essen erscheinen, bestätigten das Feeling. Im Essbereich mit Blick in die Schlucht gibt es den Gemeinschaftskühlschrank und ein Büchlein, in welches man seine Entnahmen selbst einträgt. Aber Achtung! Wie in jeder ordentlichen Jugendherberge wird die Tür zum Kühlschrank gegen 23:00 Uhr ohne Vorwarnung für den Zugriff verschlossen. Man sollte also eigene Vorräte anlegen, soweit man mit netten Mitreisenden mal ein längeres Abendschwätzchen halten will.

Da hier in diesem Adlerhorst offenbar hauptsächlich Wandervögel nur für kurze Zeit bleiben, um dann direkt weiter zu fliegen, ist alles auf eine kompakte Freizeitgestaltung ausgerichtet. Es gibt Routenpläne, die entliehen werden können oder von der Hotelchefin in jeder beliebigen Sprache erläutert werden, Lunchpakete und alle weiteren möglichen Tipps und Hilfestellungen. Organisiert wird quasi alles und prompt. Uns fehlte in der dennoch recht kleinen Anlage aber das familiäre Feeling und wir sehnten uns ein wenig zu unseren musizierenden vorherigen Gastgebern zurück. Abgefüttert und abgehakt fühlte man sich dort nie. Apropos abgefüttert. Sollte tatsächlich irgend eine lange Wanderung geplant sein, unbedingt irgendwo ein Lunch einnehmen. Das Frühstück besteht ausschließlich aus Marmeladen, einem relativ faden weißen Käse, einem guten Joghurt - der selbst gemacht ist - weißen Brötchen und einer Banane. Dazu gibt es frischen Saft, Kaffee und Tee, zu meinem Leidwesen aber nichts herzhaftes, wie Ei oder irgend eine Wurst. Nach drei Tagen haben wir uns Wurst in Dosen aus einem Mercado im Dorf gebunkert und zum Frühstück mitgenommen ... Das Abendessen im Ilhas ist abwechslungsreich, aber für ausgemergelte Wanderer nicht immer ausreichend und nicht immer geschmacklich das Richtige. Es wird - mit Ausnahme von vorher kundgetanen Sonderwünschen, wie Vegan etc., für alle das gleiche Essen bereitet und serviert, aber es besteht eben keine Möglichkeit der Nachbestellung. Unser erster Abend endete ziemlich hungrig und konnte nur mit mehreren Strela aus dem Herbergskühlschrank überstanden werden. Danach tasteten wir uns an den steilen dunklen Abhängen über die Treppen zu unserem Appartement - es war Stromausfall und wir hatten unsere Lampe im Zimmer.

Gelegen ist das Ilhas allerdings traumhaft. Erhaben hängt es auf einem hohen Berg, umringt von ca. 1.000 Meter hohen Kraterwänden und nach vorn offen mit Blick in den Talkessel bis zum Meer. Ab und zu fliegen Fetzen von Musik vorbei, wenn auf den Nachbarhängen irgend wo ein Party abgeht ... und das tut es scheinbar fast täglich, oder es laufen rhythmisch trommelnde Menschen die Hänge hoch und runter. Musik scheint das Leben auf den Kapverden zu bestimmen. Für mich das Paradis. Ich weiß gar nicht, wo ich gelesen hatte, dass hier zwar viel musiziert wird, man aber Glück haben muss, um Livemusik zu erleben. Ich glaube, wir hatten keinen Abend ohne...

Der Sternenhimmel hier ist ebenfalls gigantisch. Ich fieberte jedem neuen Stromausfall entgegen, der dazu führte, das man vor Sternen nicht mal mehr die paar bekannten ausmachen konnte. Ich konnte nicht anders und hab dann den Abend mit Jazz (Caro José´s , „Turning Point“) ausklingen lassen - übrigens zur Freude der belgischen Nachbarn, die „lauter“ skandierten.

Angesehen haben wir uns den nächsten Tagen ein paar Dörfer und die umliegende Bergwelt. So waren wir im Örtchen Janela - ein trostloser Platz auf einer Felsklippe über dem Meer - , Vila das Pombas und die Örtchen auf dem Weg zurück zum Hotel, mit kleinen Abstechern in Seitenstraßen; aber natürlich auch - wie es sich gehört - einige Wanderstrecken durch die Berge mit der Route 101 und 102. Eine der Routen führte uns zunächst bei einem Österreicher vorbei, der hierzulande fälschlich als „der Deutsche“ gehandelt wird. Er führt seit Ewigkeiten ein kleines Restaurant mit Biogemüse, selbst gebrannten Likören und Bränden und bietet die letzte Möglichkeit der Stärkung vor der wilden Bergpassage. Wir hätten uns dort außerdem Mut antrinken sollen ... Der Wanderweg führt dann wieder Hänge auf abenteuerlichen Wegen hoch und runter, und wieder hoch und wieder ... naja, man kann es sich vorstellen... bis in ein Flussbett. Flussbett? „Ich glaube, wir haben uns verlaufen.!“

Flussbett

Aber die Einheimischen, die uns mal wieder mit federnder Leichtigkeit entgegen kamen, bepackt mit Säcken voller irgend was, die sie über diesen Parkur schleppten, wiesen auf Nachfrage weiter voran. Voran? Wo war voran? Auf welchen Stein war er gerade geklettert? Und wo geht es nach dem großen Findling lang? Wir kletterten erst mal tapfer weiter. Angeblich ist ja der Weg das Ziel. Oh man, den Urheber dieses Spruches würde ich jetzt gern mal treffen. Aber bitte mitten im Zuckerrohr zwischen den Findlingen.

Jedenfalls quälten wir uns über die riesigen oder mal winzigen Geröllsteine auf mehreren hundert Metern Flussbett an zahlreichen kleinen Schnapsbrennereien vorbei, die die Hänge säumten. Man passiert dabei kleine Beete und Pflanzungen mitten im Flussbett, Rinnsale und hunderte Wasserkäfer. Wildromantisch, aber eben nicht ganz einfach. Gott sei Dank hatten wir zwei Lunchpakete des Ilhas (2 Bananen, 2 Joghurt, Brötchen, zwei Schmelzkäse und eine Dose Thunfisch) dabei. Klang zunächst etwas irre die Befüllung, war aber auf der Strecke genau das, was wir wollten und brauchten.

Den zweiten Teil der Tour durch die Figueiral nach Quintal und zurück Richtung Hotel - entweder mit Abkürzung über Passagem oder bis Boca de Figueiral - haben wir auf einen anderen Tag verschoben. Allein der Weg bis zum eigentlich schwierigen Aufstieg in Richtung Pico de Antonio und dann zurück zum Hotel über einen anderen Hang nahm ca. 6 Stunden in Anspruch. Wir sind keine Wanderfanatiker und die in Einheitskhaki gekleideten anderen Touristen haben natürlich nach dem gemeinschaftlichen Überfall auf einen Globetrotter daheim andere Ziele. Der Kram und seine Funktionalität muss schließlich getestet werden, solange es so was wie Garantie gibt. Und dann gibt es ja noch den internen Khakiträger-Wettkampf: „Höher, schneller, weiter, Insider“, der zu Höchstleistungen verpflichtet. Uns hat´s gereicht und wir haben ob des zu erwartenden übermächtigen Muskelkaters für morgen erst mal Faulenzen eingeplant. Allerdings weiß ich nicht, ob es so klug ist, dass Adlernest zu verlassen mit der zu erwartenden massiven Gehbehinderung. Ich fürchte, wir kommen nicht wieder hoch ... und wenn dann nur auf allen Vieren...

1:30 Uhr ... ich höre es rascheln. Mist, wo war die Taschenlampe? Ich schlafe immer bei offenem Fenster und wollte unbedingt soviel Natur und Sternenhimmel haben, wie aus dem Bett möglich war. Die Matratze nach draußen zu ziehen, haben ich nach der mit erhobenem Zeigefinger übermittelten Gebrauchsanweisung der Anlage durch die Hotelchefin nicht gewagt. Wahrscheinlich wäre ich beim nächsten Frühstück direkt vor allen offiziell getadelt und nach Hause geschickt worden. Das Problem mit dem offenen Fenster war allerdings, dass davor direkt der Aufstieg in die über uns liegenden Dörfchen verlief, ich also quasi auf die Hauptverkehrsstraße schaute. Und irgend etwas tat sich gerade im Dunkeln am Fenster. Da war die Taschenlampe. Spot on! und ein Typ, der halb durch das Fenster herein hing, erschreckte sich zu Tode. Ich hüpfte zum Fenster und konnte noch, bevor ich ihm das Fenster vor der Nase zuknallte seinem Lallen entnehmen, dass er wohl ziemlich verwundert feststellte, dass er nicht, wie gehofft, schon zu Hause war ... Eigentlich wollte ich sauer sein, weil ich nun in Erwartung weiterer betrunkener Heimkehrer von den umliegenden Feierlichkeiten mit geschlossenen Läden schlafen musste, aber da man ja auch selber schon mal seinen Schlüssel aus Versehen an der Tür des Nachbarn ruiniert hatte, ging das nicht wirklich.

8:00 Uhr. Aufstehen. Es ging. Nix Muskelkater. Komisch. Aber lazy day war lazy day. Strände gibt es hier nicht und wir waren zu faul, über Klippen zu steigen und hingen daher einfach wieder in Ponta do Sol ab. Der Hafen bot Kurzweil genug, da ständig neue Fischerboote ankamen. Die Hafeneinfahrt war etwas tricky. Die Boote konnten die steinige Passage nur meistern, wenn sie mit einem Wellenberg reinritten. Glücklich gestrandet wurden sie sofort von Kaufwilligen umringt und filetierten den Fang noch vor Ort.

Hafen1


Hafen11


Garupa

Zurück im Hotel hatte die Musik auf den Nachbarhängen gewechselt. Es gab keine Parties mehr, dafür x Trommler, die ähnlich den brasilianischen Rhythmen das gesamte Tal in Schwingung brachten. Angeblich fängt im April die Festivalsaison an und die Herrschaften wollten üben. Das taten sie dann ausgiebig bis weit in die Nacht. Irgend wann, mit neuem Versuch bei offenem Fenster zu schlafen, wurde das Trommeln dann so laut, dass ich wieder aufgeben musste. Gerade als ich am Fenster ankam, erreichten die Jungs unseren Bungalow und dieses mal war ich es, die erschreckt zurück sprang. Ich glaube es fiept immer noch im Ohr. Die haben direkt neben mir reingehaun und ich bin seit dem taub! „Sie mag Musik nur wenn sie laut ist ...“.

Trommler

Nachdem wir die Touren hier offenbar unbeschadeter überstanden, als erwartet, starteten wir am nächsten Tag mit einem Mix aus Aluguer und Taxi in Richtung Cova de Paul. Von diesem Krater inmitten der Insel aus, wollten wir absteigen und wenn alles gut ging, vielleicht bis ins Casa das Ilhas über den zuvor abgebrochenen Weg nach Quintal laufen. Unsere deutschen und niederländischen Mitstreiter, mit denen wir uns das Taxi teilten, wollten zunächst auf den wolkenverhangenen Pico da Cruz, den wir uns aber wegen der fehlenden Aussicht ersparten. Also sprangen wir am Krater raus und sahen zu, dass wir den Weg in den Kiefernwald nach unten zum Kratergrund fanden, denn der Wind hier oben am Rand in den Wolken war erbarmungslos. Glücklicherweise wurde es dann tatsächlich angenehmer und die Sonne zwischen den Wolkenfetzen wärmte wieder. Der Kratergrund wirkte mit seinen Feldern irgend wie gebügelt und als der Wind dann noch Wolken herein drückte, wurde alles in Watte gepackt und hatte ein bisschen mystisches Feeling.

Cova

An der kleinen Gärtnerei ging es dann wieder zum Kraterrand rauf - ein 15-minütiger nicht schwieriger Aufstieg -, um am Ende den Abstieg in Richtung Vila das Pombas zu wagen. Oben blies uns der Wind noch einmal ziemlich um die Ohren und wir konnten nur Stellenweise durch die Wolken in das Tal schauen, aber der Anblick war gigantisch. Von hier führt eine Art Maultierpfad in tausenden, holprigen und steilen Serpentinen nach unten, über Hänge voller Mimosen, Scharfgarbe und tiefer wieder Feldern mit allen möglichen Gemüsesorten.

Abstieg

Wenn der Reiseführer davor warnt, den Abstieg mit Knieproblemen zu wagen, so ist das keinesfalls überzogen. Wir hatten bei Beginn der Wanderung keine, am Ende aber schon! Der Weg hat es definitiv in sich und unsere Taximitstreiter, die zunächst auf dem Pico waren, hatten nach der Wanderung ebenfalls Probleme. Auf dem Abstieg selbst lockten so allerhand Versuchungen. So passte uns eine junge Lady mit ihrem Körbchen Kaffee ab.

Kaffee-11

Der Kaffee stammte aus der am Ende des Abstiegs liegenden Plantage und hauseigenen Rösterei. Selbstverständlich erstanden wir eine stattliche Probe der einheimischen Röstkunst. Ein paar Meter tiefer, versuchte uns eine ältere Dame in ihre eigene Schnaps-Brennerei zu manövrieren und ließ erst von uns ab, als wir außer Hörweite waren. Nach Auskunft der beiden Niederländer wurden auch sie von beiden abgepasst, unseren dritten Wanderer hat die ältere Dame dann wohl in ihr Hexenhäuschen gezwungen... Er sprach von „fast nicht mehr entkommen. Total beschwippst ...“

Als wir die Straße nach Vila das Pombas erreichten, war uns längst das Weiterwandern nach Quintal vergangen. Wir stärkten uns in einer Pension namens Sandro mit Cachupa - einem einheimischen Gericht aus Bohnen, Mais und Maniok - glücklicherweise in der angebratenen Version, da ich die Eintöpfe nicht mag - und schnappten uns ein Taxi zum Hotel. Der Aufstieg dorthin war nach den 1000 Metern abwärts fast eine Wohltat. Naja, nicht wirklich ...

Nachdem es nun zwei Tage geregnet hatte und wir die feuchte Kühle satt hatten, ging´s noch schnell zwei Gemälde von einem Künstler Namens Milton Lima im Shop des DivinArt kaufen und dann endlich wieder in die Sonne nach Sao Vicente.

Allerdings erst nach einem letzten Grogue ...

Grogue

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